HIERMIT ERKLÄRE ICH MEINEN AUSTRITT AUS DER PDS.

Kurt Gossweiler

HIERMIT ERKLÄRE ICH MEINEN AUSTRITT AUS DER PDS.

Begründung:

Der Umbau der PDS durch führende Genossen aus einer sozialistischen in eine dem Wesen nach links-sozialdemokratische Partei ist mit der Erklärung der Vorsitzenden Gabi Zimmer, das neue Parteiprogramm werde ,,völlig mit der SED-Vergangenheit brechen” (ND v. 22.Januar 01), an einem Punkt angelangt, der mir als einem Genossen, der seit seinem 15. Lebensjahr der kommunistischen Bewegung angehörte und für den die DDR sein Staat und — trotz vorhan-dener Schwächen und Unvollkommenheiten — die größte Errungenschaft der deutschen Ar-beiterbewegung war, das Verbleiben in der PDS nicht mehr länger möglich macht.

Hätte die Parteivorsitzende gesagt, es sei nötig, im Parteiprogramm auch die Ursachen für den Untergang der DDR zu benennen, dann wäre das eine dringend notwendige Forderung gewe-sen, gegen die kein einziger Genosse einen begründeten Einwand hätte erheben können. Dann hätte man sich allerdings nicht — wie das üblich ist -, darauf beschränken dürfen, die Ursachen nur in Fehlhandlungen und Unterlassungen der DDR- und SED-Führungen zu suchen, sondern dann hätte als Punkt Eins eines solchen Abschnittes festgestellt werden müssen:

,Es war für alle mit der Sowjetunion verbundenen und von ihrer wirtschaftlichen, politischen, moralischen und militärischen Unterstützung abhängigen sozialistischen Staaten selbst bei fehlerfreier und makellosester Politik ihrer Führungen unmöglich, zu überleben, nachdem 1985 an die Spitze der KPdSU und des Sowjetstaates ein Mann gekommen war, der sich nach voll-brachtem Verbrechen selbst dessen rühmt, der Sowjetunion und den sozialistischen Staaten in Europa das Ende bereitet zu haben und seinem tiefen Bedauern darüber Ausdruck gibt, dass ihm das nicht auch mit Volks-China gelungen ist.‘

Eben dieses hat Herr Gorbatschow im Herbst 1999 in einem Seminar an der Amerikanischen Universität in Ankara getan, indem er ausführte: ,,Das Ziel meines ganzen Lebens war die Vernichtung des Kommunismus, dieser unerträglichen Diktatur gegen die Menschen. Von meiner Frau, die diese Notwendigkeit sogar noch eher als ich erkannte, wurde ich dabei voll und ganz unterstützt. Gerade um dieses Ziel zu erreichen nutzte ich meine Stellung in der Partei und im Lande. Eben zu diesem Zweck drängte mich meine Frau die ganze Zeit dazu, immer höhere Positionen im Lande einzunehmen. Als ich mich persönlich mit dem Westen bekannt gemacht hatte verstand ich, dass ich von dem gestellten Ziel nicht ablassen durfte.” (Zur Erinnerung: 1984 reiste Gorbatschow nach England und wurde dort von der ,,eisernen Lady” Thatcher empfangen, die danach des Lobes voll war über ihn, was damals nicht wenig dazu beigetragen haben dürfte, dass er seinen Mitbewerber um die Nachfolge Tschernenkos, Romanow, ausstach.) Doch weiter im Gorbatschow-Bekenntnis: ,,Um dieses zu erreichen, musste ich die ganze Führung der KPdSU und der UdSSR ersetzen und ebenso die Führung in allen sozialistischen Ländern. Mein Ideal war in jener Zeit der Weg der sozialdemokratischen Län-der… .Die Welt wird ohne den Kommunismus besser aussehen. Nach dem Jahr 2000 wird eine Epoche des Friedens und der allgemeinen Blüte anbrechen. Allerdings gibt es in der Welt noch immer eine Kraft, die unser Voranschreiten zu Frieden und Schöpfertum bremsen wird. Ich habe dabei China im Auge. Ich besuchte China in der Zeit der großen Studentendemonstrationen, als es schien, dass der Kommunismus in China fallen wird. Ich beabsichtigte vor den Demonstranten auf jenem riesigen Platz aufzutreten, sie meiner Sympathie und Unterstützung zu versichern und darin zu bestärken, ihren Kampf fortzusetzen, damit auch in ihrem Lande eine Perestroika beginnt. Die chinesische Führung wünschte das nicht. Das war ein unermesslicher Schaden. Wäre der Kommunismus in China gefallen, wäre die Welt weiter auf dem Wege zu Frieden und Gerechtigkeit.”

Warum hat bisher der Parteivorstand der PDS nichts unternommen, dieses Bekenntnis, das doch ein unentbehrlicher Schlüssel für das Verständnis der Ursachen unserer Katastrophe ist, allen Genossen bekannt zu machen? (Eine Erklärung, das sei deshalb unterblieben, weil die Authentizität dieses Textes zweifelhaft sei, sticht aus mehrfachem Grunde nicht: erstens wurde dieser Text schon kurz nach der Rede von der Amerikanischen Universität Ankara im Internet ausgestrahlt; zweitens wurde dieser Text schon mehrfach veröffentlicht, ohne dass ein Dementi Gorbatschows erfolgt ist: im Oktober 1999 in der Zeitschrift ,,Dialog” der KP Böhmens und Mährens; im Juli und August 2000 in der russischen Zeitschrift: ,Prawda Rossii‘, und, von dort übernommen, am 8. September 2000 in der Wochenzeitung der DKP ,Unsere Zeit‘; drittens hat sich Gorbatschow in ähnlichem Sinne, wenn auch nicht ganz so deutlich, schon viel früher, zum Beispiel in seinem berüchtigten ,,Spiegel-Interview” Spiegel 3/1993) ,,geoutet”; viertens schließlich haben aufmerksame kommunistische Beobachter der Taten Gorbatschows — so auch ich – schon während seiner Amtszeit als Generalsekretär der KPdSU mündlich und schriftlich festgestellt, dass hier kein Kommunist, sondern ein Antikommunist am Werke ist; das zu erkennen war gar nicht schwer, wenn man sich daran hielt, ihn nicht nach seinen Worten, sondern nach seinen Taten und deren Früchten zu beurteilen.)

Die Frage bleibt also: Weshalb wird vom PV der PDS diese für die Beurteilung unserer eigenen Geschichte so ungeheuer wichtige Aussage Gorbatschows unbeachtet und werden die Mitg-lieder in Unkenntnis dieser Aussage gelassen, und weshalb wird statt dessen unbekümmert, als ob es eine solche Aussage gar nicht gäbe, der ,,völlige Bruch mit der SED-Vergangenheit” gefordert?

Was aber heißt denn: ,,Völliger Bruch mit der SED-Vergangenheit” ?

Das heißt:

1. Völliger Bruch mit: der von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl hergestellten Einheit der deutschen Arbeiterbewegung im Osten Deutschlands. Diese war die Voraussetzung für alle folgenden Siege über das Kapital und den deutschen Imperialismus und Militarismus.

2. Völliger Bruch mit: der — im Westen unterbliebenen — Entmachtung und Enteignung der Nazis und Kriegsverbrecher, Überführung ihres Eigentums – also auch das der Banken und Konzerne — in Volkseigentum.

3. Völliger Bruch mit: dem Verbot der Unternehmerverbände.

4. Völliger Bruch mit: dem auf dem Volkseigentum beruhenden Recht auf Arbeit.

5. Völliger Bruch mit: der Enteignung der Junker und Großgrundbesitzer, der großagrarischen Bauernleger.

6. Völliger Bruch mit: der Bodenreform.

7. Völliger Bruch mit: der Schaffung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften also Bruch mit einer sozialistischen und damit modernsten und rationellsten, erzeuger- und ver-braucherfreundlichsten Landwirtschaft.

8. Völliger Bruch mit: der auf den Grundsätzen von Marx und Engels beruhenden Einheits-gewerkschaft und ihrer entscheidenden mitgestaltenden Rolle bei der gesamtstaatlichen und betrieblichen Wirtschafts- und Sozialpolitik.

9. Völliger Bruch mit: einer von den Gewerkschaften verwalteten einheitlichen Sozialversi-cherung für alle Werktätigen.

10. Völliger Bruch mit: dem sozialistischen, dem Menschen dienenden, fortschrittlichsten, nicht von der Pharmaindustrie kommerzialisierten Gesundheitswesen.

11. Völliger Bruch mit: dem sozialistischen, die Ideen der progressiven Schulreformer weit-gehend verwirklichenden kostenlosen Bildungssystem.

12. Völliger Bruch mit: der nicht nur gesetzlich verankerten, sondern verwirklichten Gleich-berechtigung der Geschlechter.

13. Völliger Bruch mit: dem Recht jedes Kindes auf einen Kindergarten-Platz.

14. Völliger Bruch mit: einer Friedenspolitik, die verkündete, dass von Deutschland kein Krieg mehr ausgehen darf, und die bewirkte, dass, solange die DDR existierte, von deutschem Boden kein Krieg mehr ausging.

15. Völliger Bruch mit: dem sozialistischen Internationalismus, mit der tätigen Solidarität mit allen gegen den Imperialismus kämpfenden Völkern und Kräften.

Die Forderung, ,,völlig mit der SED-Vergangenheit zu brechen” verlangt von den älteren Ge-nossinnen und Genossen, mit ihrer eigenen Vergangenheit, mit dem Teil ihres Lebens zu bre-chen, der für die meisten von ihnen der beste, erfüllteste Teil ihres Lebens war. Gabi Zimmer mag der ,,völlige Bruch” leicht gefallen sein; für wie viele Genossinnen und Genossen er – wie für mich — unzumutbar ist, wird sich zeigen.

Die Erklärung Gabi Zimmers, das neue Parteiprogramm werde sich ,,mehr denn je am Sozia-lismus orientieren”, hat deshalb nicht mehr Wert, als das Bekenntnis zum Sozialismus in Mai-Reden von SPD-Festrednern. Es sei denn, sie meint damit den ,,Sozialismus”, den Gregor Gysi sogar in der BRD und ihrem Grundgesetz entdeckt hat, als er in einem ,,Tagesspiegel”-Interview tatsächlich sagte: ,,Ich behaupte, in der Bundesrepublik gibt es einige sozialistische Elemente…Wenn es gelingt, den sozialistischen Gedanken des Artikel 14 des Grundgesetzes, wonach Eigentum verpflichtet, umzusetzen, werden auch soziale Interessen in den Vordergrund rücken.” (Tagesspiegel vom 26. Dezember 1999.) ,,Völliger Bruch” mit der DDR, aber Schönfärben der imperialistischen BRD — was hat das mit ,,Orientierung am So-zialismus” zu tun?

Mit der SED-Vergangenheit zu brechen, heißt, mit dem Besten der deutschen Geschichte, mit den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung zu brechen. Einer Partei, deren Vorsitzende dies zum Ziel des neuen Parteiprogramms erklärt, kann ich nicht mehr länger angehören. Deshalb erkläre ich hiermit nach 68 Jahren Zugehörigkeit zum kommunistischen Flügel der Arbeiterbewegung in Deutschland meinen Austritt aus der PDS.

Die Beendigung meiner Mitgliedschaft in der PDS bedeutet aber keinen ,,völligen Bruch.” Meinen Genossen der Basisgruppe bleibe ich solidarisch verbunden, und ich werde die PDS als noch immer stärkste Kraft im linken Spektrum nach Kräften unterstützen, wo immer sie gegen die Politik der Herrschenden und Regierenden die Interessen der ,,kleinen Leute” der gesamten Bundesrepublik und der zu Bürgern zweiter Klasse degradierten DDR-Bürger vertritt und verteidigt.

Kurt Gossweiler, Berlin, den 25. Januar 2001

*******************************************************************

Kurt Gossweiler:

BRIEF AN MEINE GENOSSINNEN UND GENOSSEN DER BASISGRUPPE 702 DER PDS GRÜNAU

Der Schritt, den ich mit meiner Austrittserklärung vollziehe, kommt sehr spät. Gründe dafür, ihn schon viel früher zu unternehmen, hat es schon vom Sonderparteitag im Dezember 1989 an nicht wenige gegeben.

Ich war Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, weil ich Kommunist bin und die SED die Partei von Marx, Engels und Lenin, von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann, also die kommunistische Partei in der DDR, war.

Die PDS ist aus ihrem Sonderparteitag im Dezember 1989 als sozialistische, aber nicht-kommunistische, nicht-marxistische- nicht Weltanschauungs-Partei herausgegangen. Sie war deshalb nicht mehr ,,meine” Partei im gleichen Sinne wie es die SED war. Sie war in diesem Sinne ,,meine” Partei nur noch insofern, als die Basisgruppe noch meine alte WPO war mit den Genossinnen und Genossen, denen ich mich unverändert verbunden fühlte.

Es war zwar damals schon erkennbar, dass es wahrscheinlicher war, die PDS würde von der neuen Führung nach rechts gedrängt werden, als dass es den Mitgliedern gelingen könnte, durchzusetzen, dass die Partei wieder einen konsequent marxistischen Kurs steuert. Ein deut-liches Zeichen dafür war es, als Modrow als Ministerpräsident der DDR die Abkehr vom Ziel, die DDR zu erhalten, mit seinem Ausspruch vom ,,Deutschland, einig Vaterland” offenbarte. Als aber nach der ,,friedlichen” Okkupation der DDR durch die BRD seitens der Bonner Re-gierung, der BRD-Justiz, der ,,Treuhand” und aller Parteien von CSU/CDU über SPD bis zu den Grünen eine Hetzjagd gegen die PDS losging mit dem Ziel, sie kaputt zu machen, da war es ein Gebot der Solidarität, die PDS zu unterstützen und sie trotz aller Bedenken nicht zu verlassen.

In diesen ersten Jahren waren es also vor allem zwei Motive, die mich in der PDS hielten: erstens die Verbundenheit mit Euch, den Genossinnen und Genossen meiner Basis-Gruppe, zweitens die Tatsache, dass die POS die einzige Oppositionspartei war, die von den Herrschenden ernst genommen, gehasst und verfolgt wurde. Aber bald folgte die Abkehr der Parteiführung von der erklärten System-Opposition und die Wendung hin zum Tolerierungs- und Regierungs-Drang. Und führende Genossen sprachen zwar viel von fairem Umgang miteinander, vom Pluralismus in der Partei und der Notwendigkeit, die innerparteiliche Demokratie zu wahren, aber wenn es darum ging, ihre Personal-Präferenzen und ihren Kurs gegen linke Kritiker durchzusetzen, scheuten sie vor grober Missachtung all der hehren Prinzipien nicht zurück; ich erinnere an Gysis : ,,Sie oder ich”, als es ihm bei der Vorstandswahl auf dem 4. Parteitag 1995 darum ging, die Vertreterin der Kommunistischen Plattform, Sahra Wagenknecht, nicht wieder in den Parteivorstand gelangen zu lassen. Und ich erinnere an das schlimme Hinter-den-Kulissen-Spiel, als auf einmal anstelle des Genossen Modrow André Brie auf Platz 1 der Männer-Kandidaten-Liste zur Europa-Wahl erschien.

Es war 1996 erstens André Brie mit seiner Forderung, mich aus der Partei auszuschließen, und es waren zweitens Ihr und all die anderen Genossen, die damals so heftig und erfolgreich gegen diesen in der PDS bis dahin beispiellosen Vorstoß zur ,,Disziplinierung” mittels Ausschluss unliebsamer Mitglieder auftraten, die mich dazu bewogen, trotz wachsender Unzufriedenheit mit der Politik der Führung die Partei nicht zu verlassen. Ich wollte zum einen nicht der von André Brie verkündeten Strategie zum Erfolg verhelfen; hatte er doch empfohlen, man müsse die Atmosphäre in der PDS für die Genossen, die er gerne aus der Partei herausgedrängt ge-sehen hätte, so unerträglich machen, dass sie von selber gehen. Und zum anderen wollte ich mich nicht von denen trennen, die sich mir gegenüber so solidarisch gezeigt hatten.

Aber die Frage, ob mein Verbleiben in der PDS mit meinen Überzeugungen noch vereinbar sei, drängte sich mir immer öfter und immer nachdrücklicher auf, je einseitiger die Beschäftigung der Parteiführung mit der DDR auf ,,schärfste Abrechnung” hinzielte, und je mehr demokra-tische und sogar sozialistische Schönheiten und Vorzüge der imperialistischen Bundesrepublik von führenden Genossen der PDS entdeckt und gepriesen wurden.

Aber es kam ja noch schlimmer. Das nicht nur von allen Genossen, sondern von einem sehr großen Teil der Bevölkerung der ganzen Bundesrepublik freudig begrüßte ,,Nein” der PDS zum NATO-Uberfall auf Jugoslawien hatte ihr großes Vertrauen als der einzigen zuverlässigen und konsequenten Anti-Kriegs-Partei im Bundestag eingebracht. Das wurde aber erheblich in Frage gestellt erstens durch Gysis Forderung nach Zustimmung des Münster-Parteitages zur Einzel-fall-Prüfung bei NATO-Militär-Aktionen, zweitens durch den Verbleib der PDS in der Koali-tionsregierung in Mecklenburg-Vorpommern mit der Kriegspartei SPD. Hinzu kam eine weitere Inkonsequenz. die den Verdacht nährt, eine PDS in der Regierung werde sich zu ihren Beschlüssen und Wahlversprechungen nicht anders verhalten, als es die Grünen in der Schrö-der-Regierung tun. Auf dem Cottbusser Parteitag versicherte Gabi Zimmer, die PDS werde sich verweigern, ,,wenn es um Sozialabbau geht.” Aber in Mecklenburg-Vorpommern hat die PDS für Schröders Steuerreform gestimmt, obwohl von Partei und Gabi Zimmer persönlich diese so genannte ,,Reform” als unsozial und ungerecht bezeichnet worden war.

Und noch ein letztes Beispiel: Als sich im Sommer vorigen Jahres urplötzlich die Unterneh-merverbände und ihre Schröder-Regierung als Antifaschisten aufspielten, stimmten alle Medien wie auf einen geheimen Wink das Lied von der DDR als Keimzelle des Neo-Nazismus an. Und kein anderer als André Brie stimmte mit einem Interview in der Berliner Zeitung vom 7. August in diesen Lügenchor mit ein. Die DDR, so ließ er sich vernehmen, sei ,,ein Law-and- Order-Staat” gewesen, und das sei für Neo-Nazis bis heute ein Anknüpfungspunkt. Und er fuhr fort: ,,Die kommunistische Bewegung hat spätestens mit ihrer Stalinisierung Demokratie und Emanzipation abgelegt.” (Dies darf ein Führungs-Mitglied der PDS sagen, das genau weiß, dass ganz Europa seine Befreiung vom Faschismus in erster Linie der von Stalin geführten Sowjetunion und den von Kommunisten geführten Befreiungsbewegungen in den vom Fa-schismus okkupierten Ländern verdankt — ohne dass es dafür wegen bösartiger Verleumdung der Kämpfer gegen den Faschismus aller seiner Funktionen enthoben wird!) Aber damit noch keineswegs genug; André Brie fährt fort: ,,Sie (die kommunistische Bewegung) hat schon vor 1933 Konzepte verfolgt, der gleiche Denkweisen und ähnliche Symbole wie der NS-Bewegung zugrunde lagen. … Autoritätshörigkeit, Hierarchiedenken und Harmoniesucht der Ostdeutschen (also auch von uns, liebe Genossen! K.G.) sind ein Nährboden für Neonazis.” Ist es übertrieben zu sagen: ,Das hätte kein antikommunistischer Hetzer aus den Reihen der CDU giftiger hin-bekommen!‘? Der Spitzenvertreter der PDS im Europa-Parlament durfte unwidersprochen in der Berliner Zeitung die alte Verleumdung ,Rot gleich Braun” als PDS-Ansicht verbreiten!

So unerfreulich all dies auch ist — es fehlt nicht an Leuten, die mit dieser Entwicklung der PDS sehr zufrieden sind und ihr dafür ins Zeugnis ein ,,Sehr gut!” schreiben.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Höppner, lobte die PDS auf einer Veranstaltung der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Genshagen im Sommer 1996 dafür, dass sie ,,in erheblichem Maße dazu beigetragen habe, dass die ,alte Elite‘ (der DDR) in gesellschaftliche Prozesse eingebunden wurde und nicht als revolutionärer Sprengstoff wirkte.” (N.D. v.3.6.1996) Und ganz ähnlich auch der CDU-Professor Werner Patzelt in seiner Rede ,,Zehn Jahre PDS” auf der Festveranstaltung der Dresdner PDS im Rathaus im Februar 2000; er führte dort u.a. aus: ,,Die PDS schaffte es, jene in die BRD zu begleiten und in sie zu integrieren, die eigentlich nie in die BRD und in ihre politischen und wirtschaftlichen Wertstrukturen hineingehören wollten.” Und er beschreibt die staatstragende Funktion der PDS wie folgt: ,,Bei alledem muss die PDS gesprächs- und integrationsfähig hin zum äußersten linken Rand des politischen Spektrums bleiben. Sie muss auf der linken Seite das leisten, was insbesondere die CDU am rechten Rand des politischen Spektrums vollbringt: Sie selbst muss eine zweifelsfrei und ohne Wenn und Aber innerhalb des Verfassungsbogens stehende Partei sein; links von ihr darf für keine auf demokratische Legitimität sich stützende Partei Platz sein; und in ihr muss die Spannung zwischen fast schon Radikalen und denen, die fast schon die Union mögen, ausgehalten und immer wieder integriert werden.” (N.D. v.5.5.2000). Ohne professorale Schnörkel heißt das: Die Aufgabe der PDS besteht darin, zu verhindern, dass es in Deutschland noch einmal eine den revolutionären Theorien von Marx, Engels, Liebknecht und Luxemburg folgende kommunistische Massenpartei gibt.

Das bockige Sträuben des Parteivorstandes der PDS gegen gemeinsame Wahlabkommen mit der DKP entspricht sehr wohl dieser Aufgabenstellung des Herrn Professor Patzelt, in keiner Weise aber der Notwendigkeit, die Linke durch Bündelung der Kräfte zu stärken.

Liebe Genossinnen und Genossen, ich habe nur einige wenige Beispiele angeführt, die es mir schon länger schwer machten, nicht zu sagen: diesen Kurs kann ich nicht mehr mittragen! Wenn ich daraus nun die Konsequenz ziehe und nicht länger Mitglied der PDS bleibe, dann ändert das nichts daran, dass ich mich nach wie vor mit Euch, mit den Genossinnen und Genossen der Parteigruppe, der ich noch aus DDR-Zeiten angehöre, auch als Parteiloser solidarisch verbunden fühle und Ihr auf meine Unterstützung rechnen könnt, wenn es darum geht, dafür einzutreten, dass Rot die stärkste Farbe im politischen Spektrum in Grünau und im neuen Bezirk Treptow-Köpenick bleibt.

Kurt Gossweiler, Berlin, den 25. Januar 2001