Kurt Gossweiler
GEDANKEN ZUM 50. JAHRESTAG DES TODES VON J.W.STALIN
In diesen Tagen gehen die Erinnerungen fünfzig Jahre zurück, zu dem Tag, da die Nachricht vom Tode Stalins Hunderte Millionen Menschen rund um den Erdball in tiefe Trauer versetzte und viele von ihnen die bange Frage stellten: wie wird es nun weitergehen?, und an das bisher in der Geschichte einmalige Ereignis, dass sich wenige Tage später Hunderte Millionen Menschen in allen Erdteilen und Ländern in gewaltigen Trauerkundgebungen und Trauerdemonstrationen zu einer weltumspannenden riesigen Trauergemeinde vereinten. In Berlin zogen wir in einem nicht enden wollenden Zug am Stalindenkmal in der Straße vorüber, die damals seinen Namen trug.
Ich blättere in den Zeitungen von damals und lese dort die offenkundig ehrlichen und tief empfundenen Worte der Verehrung und Trauer: So jene von Professor Rompe, einem interna-tional bekannten und geschätzten Naturwissenschaftler der Deutschen Demokratischen Re-publik:
“Die Nachricht von der schweren Erkrankung und dann von dem Tode des Genossen Stalin traf mich wie ein schwerer persönlicher Schlag. Dieses erschütternde Ereignis ist für die gesamte Menschheit und insbesondere für die Wissenschaft ein unersetzlicher Verlust. Seine Persön-lichkeit und sein Werk sind lebendige Bestandteile meines Lebens geworden, da sie für mich in meiner Arbeit, in der Wissenschaft und in gesellschaftlicher Hinsicht Quellen steter Anleitung, einer ständigen Beratungsmöglichkeit darstellen.” (1)
Und in der Sowjetunion Michail Scholochow:
“Wie unerwartet und entsetzlich verwaisten wir! Es verwaisten die Partei, das Sowjetvolk, die Werktätigen der ganzen Welt… Seit dem Tode Lenins erlitt die Menschheit noch nicht einen solchen schweren, unermesslich schweren Verlust.” (2)
Und selbst sein “Intimfeind”, der er trotz zeitweiliger Bündnispartnerschaft geblieben war, Winston Churchill, bewies persönliche Fairness in seiner Würdigung Stalins:
“Er war eine herausragende Persönlichkeit, die in unserer rauhen Zeit, in der Periode, in der sein Leben verlief, imponierte. Stalin war ein außergewöhnlich energischer, belesener und äußerst willensstarker Mann, heftig, schroff, schonungslos in der Sache wie im Gespräch, dem selbst ich, der ich im englischen Parlament groß geworden bin, nichts entgegenzusetzen ver-mochte.
In seinen Werken spürt man eine hünenhafte Kraft. Stalins Kraft war so groß, dass er unter den Führern aller Völker und Zeiten nicht seinesgleichen kennt… Die Menschen konnten seinem Einfluss nicht widerstehen. Als er den Raum der Konferenz von Jalta betrat, erhoben wir uns alle, buchstäblich wie auf Kommando. Und, so seltsam es ist, wir legten die Hände an die Hosennaht. Stalin besaß einen tief schürfenden, gründlichen und logischen Verstand. Er war ein unübertroffener Meister darin, in schweren Momenten einen Ausweg aus der auswegslosen Lage zufinden…. Er war ein Mann, der seinen Feind mit den Händen seiner Feinde vernichtete, der uns, die er offen Imperialisten nannte, zwang, gegen Imperialisten zu kämpfen. Er übernahm das Russland des Hakenpflugs und hinterließ es im Besitz der Atomwaffe.” (3)
In den alten Zeitungen finde ich auch ein Foto: Die Mitglieder des Politbüros am Sarge Stalins; darunter ein besonders leidvolles Gesicht – das von N. S. Chruschtschow. Undenkbar damals, dass nur drei Jahre später eben dieser Mann, von dem bisher nur überschwängliche Lobgesänge auf Stalin zu hören gewesen waren, es sein würde, der – als Nachfolger Stalins an die Spitze der Partei gelangt -, in einer Rede vor dem Parteitag selbst die imperialistische Hetze gegen Stalin übertreffen und ihn dem Sowjetvolk als Schädling und Verbrecher am Sozialismus darstellen würde.
Stalin allerdings bewährte sich auch in dieser Hinsicht als ein Mann, der weit in die Zukunft zu schauen vermochte. Einer seiner engsten Mitarbeiter, Wjatscheslaw Molotow, erinnerte sich, dass ihm Stalin einmal während des Krieges gesagt hatte: “Ich weiß, nach meinem Tode wird man mein Grab mit Haufen von Schmutz bedecken.” Er fügte dem jedoch hinzu: “Aber der Wind der Geschichte wird ihn schonungslos hinwegfegen.” (4)
“Der Wind der Geschichte” wird aber von den Menschen gemacht. Solange jene Leute in der Übermacht sind, die ein Interesse am Erhalt des von Chruschtschow-Gorbatschow gemalten Stalin-Bildes haben, haben es jene schwer, die sich um die Herstellung eines der historischen Wahrheit entsprechenden Stalin-Bildes bemühen. Das erfahren wir gerade in diesen Tagen mit besonderer Wucht, da die imperialistischen wie auch die pseudosozialistischen Medien in einer gemeinsamen Tonart des “Todes des Diktators” gedenken.
Umso notwendiger sind Veranstaltungen wie diese heutige.
Wir müssen die Nebel- und Giftschwaden vertreiben, damit die Menschen wieder klare Sicht auf die Geschichte und klaren Verstand bekommen, sie richtig zu deuten.
Wir müssen ihnen helfen, zu erkennen: alles, was seit 1990 über die Menschheit gekommen ist an Unheil oder an bereits vorhandenem Unheil ins Unermessliche gesteigert wurde – Massen-arbeitslosigkeit, Massenarmut, hungernde und erfrierende Obdachlose, Furcht vor dem Morgen, tägliches Massensterben von Kindern und Erwachsenen in der so genannten Dritten Welt, Kriegsdrohung und Kriege, Flucht von Millionen Menschen vor dem Verhungern, vor den Bomben, vor Invasoren, und schließlich die immer rücksichtslosere Zerstörung der Natur und Verschwendung der natürlichen Ressourcen – das alles ist die Folge des Verschwindens der Sowjetmacht und der europäischen sozialistischen Staaten, ist die Folge der Wiederherstellung der fast uneingeschränkten Herrschaft des Imperialismus über die Völker dieser Erde.
Für Kommunisten, für Marxisten-Leninisten ist das keine Überraschung. In einer Rede vor dem Exekutiv-Komitee der Kommunistischen Internationale am 7. Dezember 1926 hatte Stalin schon gewarnt:“Was wäre die Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden liquidiert.” (5)
Hat Stalin damit etwa zu schwarz gemalt? Ist, was seit 1989/90 geschah, nicht noch viel schlimmer als das, was Stalin voraussah? In Stalins Zukunftsbild nach einem Untergang der Sowjetmacht fehlt noch, was wir seit 1991 erleben: der imperialistische Krieg ist permanent geworden, die Völker der ehemaligen Sowjetunion werden auf das Lebensniveau der Völker in der so genannten Dritten Welt herabgedrückt, die bereits politisch kolonial befreiten Länder werden wieder rekolonialisiert, die Arbeiterklasse der entwickelten kapitalistischen Länder wird ihrer in über hundert Jahren – vor allem seit und dank der Existenz der sozialistischen Gegenmacht! – errungenen sozialen und politischen Rechte beraubt – im Namen eines “Krieges gegen den Terror”!
Dieser Beschreibung der Folgen der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion und in den sozialistischen Ländern Osteuropas zuzustimmen dürfte für Kommunisten kaum ein Problem sein.
Anders sieht es aber mit einer zweiten, für die kommunistische Bewegung lebenswichtigen Erkenntnis aus, die da lautet: Was die Sowjetmacht und die kommunistische Bewegung zersetzt und zerstört hat und daran hindert, die alte Kraft und geschichtsmächtige Stärke wieder-zugewinnen, ist ihr Befall mit der Krankheit des Revisionismus.
Was aber hat die Kommunisten in der Sowjetunion und in den meisten kommunistischen Par-teien daran gehindert – und hindert auch heute noch viel zu viele Kommunisten und Sozialisten daran! – zu erkennen, dass die von den Nachfolgern Stalins betriebene Politik den von Marx und Lenin für den Aufbau des Sozialismus gewiesenen Weg verlassen hat – den Weg des Klassenkampfes, des Kampfes gegen den Imperialismus und für den Sieg des Sozialismus im Weltmaßstab -, und dass sie statt dessen auf die abschüssige Bahn der Klassenzusammenarbeit eingeschwenkt sind, auf die Bahn der Zusammenarbeit mit dem Imperialismus, vor allem mit dem mächtigsten und für den Sozialismus gefährlichsten, dem USA-Imperialismus, auf die Bahn des Friedensschlusses mit dem Imperialismus?
Dafür gibt es sicher viele Gründe. In erster Linie aber lag das meiner Ansicht nach daran, dass ihnen die Begründungen, welche die neuen Sowjetführer für ihren Kurswechsel angaben, ein-leuchtend und im Einklang mit den Leninschen Grundsätzen zu sein schienen. Vor allem waren dies die folgenden:
Erstens: “Im Atomzeitalter kann der Frieden nicht mehr gegen die andere Atommacht, sondern nur gemeinsam mit ihr aufrechterhalten und gesichert werden.” Auf einer Besprechung mit ausländischen Journalisten im Anschluss an die Oktoberfeierlichkeiten im November 1962 drückte Chruschtschow dies so aus: “Wenn wir uns auch nicht lieben, so müssen wir uns doch umarmen, um den Frieden zu sichern!”
Zweitens: “Der Sozialismus ist inzwischen so stark geworden, dass er keinen Rückschlag mehr befürchten muss.” Originalton Chruschtschow 1959: “Es gibt heute in der Welt keine Kräfte, die den Kapitalismus in unserem Lande wiederherstellen, die das sozialistische Lager zerschlagen könnten. Die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion ist ausgeschlossen. Das heißt, dass der Sozialismus nicht nur vollständig, sondern auch endgültig gesiegt hat.” (6)
Das war die These, mit der Chruschtschow begründete, dass man in der Außenpolitik nun ganz neue Wege im Verhältnis zu den imperialistischen Staaten beschreiten und in der Innenpolitik bereits damit beginnen könne, bestimmte Seiten des Staates absterben zu lassen, vor allem die Organe der Staatssicherheit, und dass man mit der übertriebenen Wachsamkeit Schluss machen müsse.
Diese beiden Chruschtschow-Thesen hätten aber noch nicht ausgereicht, in der Partei und im Volke keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des neuen Kurses aufkommen zu lassen, stand der doch in so Vielem so deutlich im Widerspruch zu den Lehren Lenins und Stalins, die den Sowjetbürgern und natürlich besonders den Parteimitgliedern sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen waren. Waren sie doch schon in der Schule, in ihrer Berufsausbildung, im Par-teilehrjahr mit den grundlegenden Arbeiten Lenins und Stalins vertraut worden, vor allem mit Stalins “Fragen des Leninismus” und dem “Kurzen Lehrgang der Geschichte der Sowjetunion”, diesen beiden unverzichtbaren Kompendien für den sozialistischen Aufbau, wo auch immer.
Es musste also drittens erreicht werden, dass niemand mehr auf die Idee kam oder aber es wagte, Kritik an der Politik der neuen Führung mit Berufung auf Stalin zu üben. Die Revisionisten in der neuen Führung mit Chruschtschow und Mikojan an der Spitze mussten Wege finden, um die Möglichkeit auszuschließen, dass sich Zweifel an der Richtigkeit des neuen Kurses und gar ein wirksamer Widerstand gegen ihn entfalten konnte, weil er im Widerspruch zu dem stand, was Stalin und sie selbst zu Stalins Lebzeiten als unanfechtbare Wahrheit gelehrt hatten. Dazu war es aber unerlässlich, die bisher unangefochtene und unermessliche Autorität Stalins zunichte zu machen.
ES GIBT KEINEN STÄRKEREN BEWEIS FÜR DIE POSITIVE ROLLE STALINS ALS DIE TATSACHE, DASS DIE ZERSTÖRUNG SEINER AUTORITÄT IN DER SOWJETUNION UND IN DER KOMMUNISTISCHEN BEWEGUNG DIE VORAUSSETZUNG FÜR DIE RESTAURATION DES KAPITALISMUS IN DER SOWJETUNION WAR. OHNE “ENTSTALINISIERUNG” KEINE RESTAURATION DES KAPITALISMUS!
Die Imperialisten wussten das sehr gut, daher ihr Wohlwollen für Trotzki und die offenen und verkappten Stalingegner im Lande und für Tito, nachdem er – schon während des Krieges – zu verstehen gegeben hatte, dass er auf ihrer Seite stünde. (7) Daher auch die hoffnungsvolle Zuversicht des US-Außenministers Allan Dulles nach Chruschtschows Stalin-Verdammung auf dem XX. Parteitag, der er mit den Worten Ausdruck verlieh, “die Sowjetführer hätten durch die Anti-Stalin-Kampagne und ihr Liberalisierungsprogramm eine Kettenreaktion ausgelöst,” von der er hoffte, dass durch sie “die internationale Szenerie bis zum Jahre 1965” umgeändert sein würde. (8)
Die revisionistische Unterminierung- und Zerstörungsarbeit hat allerdings nicht schon 1965, sondern erst ein Vierteljahrhundert später die Sowjetunion und die europäischen sozialistischen Staaten zum Einsturz gebracht, aber der Vollender des Zerstörungswerkes, Gorbatschow, hat erneut den Beweis dafür erbracht, dass das unentbehrlichste Zerstörungswerkzeug dabei die Anti-Stalin-Hetze war.
Seitdem ist nun schon über ein Jahrzehnt vergangen und hat ein Wechsel in ein neues Jahr-hundert stattgefunden – Zeit genug, sollte man meinen, dass selbst die erbittertsten Sta-lin-Gegner ruhiger und gelassener auf eine nun schon ein halbes Jahrhundert zurückliegende Geschichte zurückblicken.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Den fünfzigsten Jahrestag des Todes Stalins begehen die imperialistischen Medien mit geballten Ladungen von Artikeln und Serien über den “Jahr-hundertverbrecher” Stalin, die – was man kaum für möglich halten konnte – noch alles über-treffen, was in den letzten fünfzig Jahren seit Stalins Tod auf diesem Gebiet “geleistet” wurde.
Und was die Medien der “demokratisch-sozialistischen” und “demokratisch-kommunistischen” Parteien und Richtungen betrifft, so lassen die meisten Autoren ihrer Gedenkartikel an ihrer Verurteilung Stalins keinen Zweifel, auch wenn sie sich darum bemühen, – oder Bemühen darum vorzeigen – kein einseitiges, sondern ein “objektives” Bild Stalins zu zeichnen.
In der Grundtendenz sind sich beide einig: diesen 50. Jahrestag dazu zu nutzen, den heute Lebenden Stalin neben Hitler zum mindestens zweitschlimmsten Verbrecher des 20. Jahr-hunderts so eindringlich vorzuführen, dass für sie lebenslang ein anderes Stalin-Bild unak-zeptabel bleibt.
Ich fragte mich, weshalb eigentlich diese so überbordende, alles bisher auf diesem Gebiet Gebotene in den Schatten stellende, vor den offenkundigsten Lügen und Fälschungen nicht zurückschreckende Orgie der Anti-Stalin-Hetze?
Ich habe darauf nur eine Antwort gefunden: Die Sieger von gestern haben Furcht! Ja, sie fürchten den Einfluss des vor einem halben Jahrhundert gestorbenen Stalin auf die heute Le-benden! Sie erschrecken davor, dass noch immer und sogar immer mehr Menschen in Russland und den übrigen Staaten der früheren Sowjetunion bei ihren Demonstrationen Stalin-Bilder mit sich führen. Sie fürchten, dass die Verlierer von gestern die Sieger von morgen oder übermorgen sein könnten.
Und sie haben Grund zu dieser Furcht. Zwanzig Jahre nach ihrem Triumph über den Sozialismus stecken sie in der tiefsten Krise ihres Systems: ökonomisch, politisch, sozial, kulturell, und nicht zuletzt: ideologisch. Immer deutlicher sichtbar wird: die allgemeine Krise des Kapitalismus ist trotz der Niederlage des Sozialismus in Europa nicht überwunden, sondern dauert fort und vertieft sich.
In Deutschland und anderswo sehen die Herrschenden aus der ökonomischen Krise keinen anderen Ausweg mehr, als vom Volke zu verlangen, eine “Blut, Schweiß und Tränen”-Lösung widerspruchslos hinzunehmen.
Die USA-Imperialisten. sind da aber schon viel weiter. Um sowohl das alte Ziel der unbe-schränkten Weltherrschaft zu erreichen und zugleich den vollen Ausbruch der schon lange schwelenden Wirtschaftskrise zu vermeiden, setzen sie nur noch auf eines: Krieg! Und sie drohen allen, die nicht mit ihnen sind, sie als Gegner zu betrachten im “Krieg des amerikanischen Jahrhunderts.”
Aber schon jetzt ist klar zu erkennen: wie Hitler die Anti-Hitlerkoalition zusammenführte, so ist Bush schon jetzt dabei, eine weltweite Anti-US-Imperialismus-Koalition zusammenzuzwingen, die ihm oder seinen Nachfolgern irgendwann ihr Stalingrad bereiten wird.
Es gibt für Bush und seinesgleichen, aber auch für alle vom US-Imperialismus Bedrohten und Erpressten zur Zeit keine empfehlenswertere Literatur, als den Band mit Stalins Reden im Vaterländischen Krieg!
Der Krieg, den zu beginnen die Bush und Rumsfeld wild entschlossen sind, und der überra-schende Widerstand, auf den sie dabei nicht nur bei den Volksmassen, sondern sogar bei NATO-Partnern stoßen, die ihnen gestern noch “unverbrüchliche Solidarität” beteuerten, sollte Anlass dazu sein, sich auch einer anderen Vorhersage Stalins in seiner Arbeit über “Ökono-mische Probleme des Sozialismus in der UdSSR” zu erinnern. In dieser Arbeit widmete Stalin einen Abschnitt der Frage der Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern. Stalin führte dort aus:
“Manche Genossen behaupten, dass infolge der Entwicklung der neuen internationalen Be-dingungen nach dem zweiten Weltkrieg Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. Sie meinen, dass die Gegensätze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus stärker seien als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich die anderen kapitalistischen Länder so weit untergeordnet hätten, um ihnen nicht zu gestatten, untereinander Krieg zu führen und sich gegenseitig zu schwächen, dass die tonangebenden Leute des Kapitalismus aus der Erfahrung zweier Weltkriege, die der ganzen kapitalistischen Welt schweren Schaden zugefügt haben, genügend gelernt hätten, um sich nicht noch einmal zu erlauben, die kapitalistischen Länder in einen Krieg gegeneinander hineinzuziehen – dass infolge all dessen die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien.
Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche schimmernden äußeren Erschei-nungen, aber sie sehen nicht die in der Tiefe wirkenden Kräfte, die, obwohl sie vorläufig un-merkbar wirken, dennoch den Lauf der Ereignisse bestimmen werden.
Nach außen hin scheint alles ‚wohlgeordnet’ zu sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa, Japan und andere kapitalistischen Länder auf Ration gesetzt; (West-) Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan, die in die Klauen der USA geraten sind, führen gehorsam die Befehle der USA aus. Es wäre aber falsch, anzunehmen, dieser ‚wohlgeordnete Zustand’ könne ‚in alle Ewigkeit’ erhalten bleiben, diese Länder würden die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, sie würden nicht versuchen, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und den Weg einer selbständigen Entwicklung zu beschreiten….
Daraus folgt aber, dass die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt.”
Man könnte einwenden: Wenn das, was 1952 unmöglich schien, heute in den Bereich des Möglichen kommt, dann liegt das daran, dass es heute kein sozialistisches Lager mehr gibt.
Aber wer so argumentiert, der argumentiert einem Blinden ähnlich: er übersieht großzügig, dass das volkreichste Land der Erde ein von der Kommunistischen Partei regiertes Land ist, der übersieht ebenfalls, dass es ein sozialistisches Vietnam und ein sozialistisches Nordkorea gibt, und der übersieht, dass sich in nächster Nähe zu den USA trotz aller Interventions- und Erd-rosselungsversuche das sozialistische Kuba behauptet.
Nein, es sind “die in der Tiefe wirkenden Kräfte”, von denen Stalin gesprochen hat, die dazu geführt haben, dass sich vor unseren Augen eine Entwicklung in geradezu rasendem Tempo entwickelt hat, die noch vor einem Monat kaum einer für möglich gehalten hätte. Damals glaubten zum Beispiel die Unionspolitiker, den Bundeskanzler Schröder mit der Feststellung politisch erledigen zu können, er habe mit seinem Nein zum Krieg der USA gegen Irak Deutschland in die schlimmste Isolierung seiner Geschichte geführt. Heute ist in allen Medien zu hören und zu lesen, dass es die USA sind, die so isoliert sind, wie noch nie in ihrer Ge-schichte. Die Gegensätze zwischen den größten imperialistischen Staaten haben in kürzester Zeit eine geradezu explosive Zuspitzung erfahren, die gegenseitigen Kontroversen führender Politiker der USA auf der einen, und z. B. Frankreichs auf der anderen Seite haben eine Schärfe angenommen, die ahnen lassen, wie sehr es viele von den Staaten satt haben, nach der Pfeife der USA zu tanzen, die das bisher brav getan haben.
Aber noch wichtiger ist der Widerstand der Völker in aller Welt gegen den Kriegskurs der USA. Er vor allem ist es, der auch den Regierenden den Rücken dafür stärkte und stärkt,, “aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen” und den Weg “bedingungslosen Gehorsams” zu verlassen.
Das Forum, auf dem dies gegenwärtig am deutlichsten vor aller Welt sichtbar wird, ist der Sicherheitsrat der UNO. Die UNO erweist sich – für viele überraschend – als eine Einrichtung, die trotz der dominanten Rolle der USA als einzig übrig gebliebener Supermacht dem Kriegs-treiben eben dieser Supermacht wenn nicht total Einhalt gebieten, so ihm doch Hindernisse in den Weg zu legen und die USA als Verächter und Brecher des Völkerrechtes vor aller Welt bloßzustellen vermag.
Gerade deshalb wird die UNO heute mehr denn je zuvor als unverzichtbare Verteidigerin des Völkerrechts empfunden, bei der unbedingt das Monopol auf Entscheidung über Gewaltan-wendung bleiben muss.
Woher kommt es, dass die UNO noch immer eine solche positive Rolle spielen kann? Das liegt daran, dass sie – anders als der Völkerbund der Zwischenkriegszeit – auf einer demokratischen Satzung beruht, die selbst der Supermacht USA nur um den Preis des offenkundigen Völker-rechtsbruches erlaubt, sich über sie hinwegzusetzen.
Wem aber verdankt die Völkergemeinschaft, dass sie in den Vereinten Nationen eine Organi-sation mit einer solch demokratischen Verfassung verfügt? Sie verdankt das einzig und allein der Sowjetunion. Die Geschichte der Vorbereitung und Gründung der UNO ist die Geschichte des zähen, hartnäckigen Kampfes der sowjetischen Delegation mit Stalin an der Spitze um eine Verfassung dieser Organisation, die allen ihren Mitgliedern unabhängig von ihrer Größe und ihrem Reichtum gleiche Rechte gewährt, zugleich aber auch Sicherungen einbaut, die verhin-dern, dass die Versammlung der Völkergemeinschaft majorisiert werden kann durch eine Mehrheit, die nur durch den erpresserischen Druck oder den Stimmenkauf durch eine Groß-macht zusammengebracht wird.
Fast genau sechs Monate nach dem Inkrafttreten der UNO-Charta (24.Oktober 1945), nämlich am 22. März 1946, würdigte Stalin in einem Interview die große Bedeutung der UNO, “da sie ein ernst zu nehmendes Instrument für die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit” darstelle.
Er fuhr fort:. “Die Stärke dieser internationalen Organisation besteht darin, dass sie sich auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Staaten und nicht auf den Grundsatz der Herrschaft einiger über die anderen stützt. Wenn es der Organisation der Vereinten Nationen gelingt, auch weiterhin den Grundsatz der Gleichberechtigung zu wahren, wird sie unbedingt eine große positive Rolle bei der Sicherung des allgemeinen Friedens und der Sicherheit spielen.” (9)
Es ist dies der UNO nicht immer gelungen. Schon 1950, am 7. Juli, erreichten die USA, eine Mehrheit des Sicherheitsrates zur Zustimmung zu einem Angriffskrieg gegen die Koranische Demokratische Volksrepublik zu bestimmen.
Das hatte folgende Vorgeschichte. (10) Unter dem Einfluss der imperialistischen Mächte wurde der im Oktober 1949 gegründeten Volksrepublik China verweigert, den ihr nach dem Sturz des Tschiang Kai-schek-Regimes zustehenden Platz im Sicherheitsrat als eine der Veto-Mächte einzunehmen. Aus Protest gegen diese Verweigerung erklärte die Sowjetunion am 10.Januar 1950, an den Sitzungen des Sicherheitsrates nicht mehr teilzunehmen.
Im März 1950 fanden Wahlen in Südkorea statt, bei denen der Regierungschef Li Syng Man eine vernichtende Niederlage erlitt. Die Regierung der KVDR unterbreitete angesichts dieser Wahlniederlage der südkoreanischen Ultrarechten im Juni den Vorschlag, die demokratischen Kräfte sollten die friedliche Wiedervereinigung des Landes vorbereiten. Als Ort eines Treffens von Vertretern beider Teile des Landes wurde die Stadt Hädschu in Nordkorea, in unmittelbarer Nähe der Demarkationslinie gelegen, in Aussicht genommen.
Eine solche Entwicklung lag ganz und gar nicht im Interesse der USA. Im Juni unternahm der US-Außenminister John Foster Dulles eine Reise nach Japan und Südkorea. Am 19. Juni hielt er im südkoreanischen Parlament eine Rede, in der er erklärte: “Die Augen der freien Welt sind auf Sie gerichtet. Ein Kompromiss mit dem Kommunismus – gemeint waren die von Nordvietnam vorgeschlagenen Verhandlungen in Hädschu – wäre ein Weg in die Katastrophe.” Er versicherte seinen Zuhörern “die Bereitschaft der USA, einem Südkorea, das gegen den Kommunismus kämpft, alle nötige moralische und materielle Hilfe zu leisten.”
Am 25. Juni fielen südkoreanische Truppen an drei Stellen in Nordkorea ein. Am 26. Juni meldeten die “New York Times und der Londoner “Daily Herald” die Einnahme von Hädschu durch sie. Da sie aber zurückgeschlagen wurden und die nordkoreanischen Truppen im Ge-genschlag rasch tief nach Südkorea vordrangen, ließ man diese Meldungen rasch der völligen Vergessenheit anheim fallen, weil sie der Lüge vom “völlig überraschenden Überfall Nord-koreas” ins Gesicht schlugen.
Nachdem klar wurde, dass die nordkoreanischen Truppen in kurzer Zeit ganz Südkorea ein-nehmen würden, beschloss die USA-Regierung, mit ihren Streitkräften einzugreifen. Sie nutzte die Abwesenheit der Sowjetunion im Sicherheitsrat dazu aus, eine Entschließung mit Mehrheit annehmen zu lassen, in der die KVDR als Aggressor verurteilt wurde und damit die Aggression der USA gegen Nordkorea den Segen der UNO erhielt.
Die USA griffen massiv in die Kampfhandlungen ein mit ihrer ganzen Überlegenheit an mo-dernsten Waffen, insbesondere in der Luft. Die koreanische Volksarmee wurde dadurch zum Rückzug gezwungen. Die USA, dadurch übermütig geworden, überschritten mit ihren Truppen die Demarkationslinie und drangen im Oktober 1950 bei Tschosan bis an die korea-nisch-chinesische Grenze vor. (11)
Als daraufhin die Volksrepublik China im gleichen Monat der koreanischen Volksarmee mit der Entsendung von Freiwilligenformationen zu Hilfe kam, setzten die USA in der UNO einen Beschluss durch, der die Volksrepublik China zum Aggressor erklärte.
Darauf bezog sich Stalin in einem Interview, das er einem Prawda-Korrespondenten am 17. Februar 1951 gab. Zur amerikanisch-britischen Aggression gegen Nordkorea befragt, womit diese enden könne, antwortete Stalin: “Wenn England und die Vereinigten Staaten von Amerika die friedlichen Vorschläge der Volksregierung Chinas endgültig ablehnen, dann kann der Krieg in Korea nur mit einer Niederlage der Interventen enden.” Zu diesem Zeitpunkt waren die USA in einem Siegesrausch, der sie über eine solche Voraussage nur hochmütig lachen ließ. Aber Stalin behielt recht: “Korea war die erste militärische Auseinandersetzung in der Geschichte des nordamerikanischen Imperialismus, die er nicht als Sieger beendete. Das kam angesichts seiner Weltgendarmenrolle einer Niederlage gleich.” (12)
Stalin wurde weiter danach befragt, wie er den UNO-Beschluss einschätze, der die VR China zum Aggressor erklärte. Seine Antwort: “Ich bewerte ihn als einen schändlichen Beschluss. … Die Organisation der Vereinten Nationen, die als Bollwerk zur Erhaltung des Friedens ge-schaffen wurde, verwandelt sich in ein Instrument des Krieges, in ein Mittel zur Entfesselung eines neuen Weltkrieges. Den aggressiven Kern der UNO bilden die zehn Mitgliedstaaten des aggressiven Nordatlantikpaktes (die USA, England, Frankreich, Kanada, Belgien, Holland, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Island) und die 20 lateinamerikanischen Länder (…). …Somit verwandelt sich die UNO in ein Instrument des Aggressionskriegs und hört zugleich auf, eine Weltorganisation gleichberechtigter Nationen zu sein. In Wirklichkeit ist die UNO jetzt weniger eine Weltorganisation, als eine Organisation für die Amerikaner, die so handelt, wie es den amerikanischen Aggressoren genehm ist…. Die Organisation der Vereinten Nationen betritt auf diese Weise den unrühmlichen Weg des Völkerbundes. Damit begräbt sie ihre moralische Autorität und setzt sich dem Zerfall aus.” (13)
Immerhin enthielt die Charta der Vereinten Nationen so viele Bestimmungen, die sich als Hindernis für ihre totale Unterordnung unter das Diktat der USA erwiesen; allerdings nur solange Gorbatschow die Sowjetunion nicht zum offenen Komplizen der USA gemacht hatte. Damit hatte er es aber sehr eilig.
In einer Rede vor der Vollversammlung der UNO am 7. Dezember 1988 brachte er seine völlige Abkehr vom Lenin-Stalinschen Kampf gegen den Imperialismus damit zum Ausdruck, dass er das bisherige Auftreten der Sowjetvertreter in der UNO gegen die imperialistischen Kriegs-treiber mit den Worten verächtlich machte:
“Leider befand sich die UNO seit ihrer Gründung unter dem Druck des ‚Kalten Krieges’. Für lange Jahre wurde sie der Austragungsort propagandistischer Schlachten und zur Stätte der Kultivierung politischer Konfrontation”. Jetzt aber, meinte er, “sind wir in eine neue Epoche eingetreten… Eine Forderung der neuen Etappe ist die Entideologisierung der Beziehungen zwischen den Staaten…. Schauen Sie, wie sich unsere Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika verändert haben. Nach und nach bildet sich gegenseitiges Vertrauen heraus…” (14)
Dass sich hinter solchen wohlklingenden und um Vertrauen zum USA-Imperialismus wer-benden Worten in Wahrheit eine verbrecherische Komplizenschaft mit den auf einen neuen Krieg hinsteuernden Regierenden in Washington verbarg, zeigte sich schon zwei Jahre später, als Präsident Bush der Ältere zum ersten USA-Krieg gegen den Irak rüstete.
Im “Neuen Deutschland” vom 10. September 1990 war unter der Überschrift: “USA und Sowjetunion fordern gemeinsam bedingungslosen Rückzug Iraks aus Kuwait. Dringlich-keits-Gipfel in Helsinki brachte weitgehende Einigkeit der Großmächte in der Golfkrise” zu lesen: “Große Einigkeit demonstrierten gestern Abend die Präsidenten der USA und der Sowjetunion, George Bush und Michail Gorbatschow auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Helsinki….Die beiden Präsidenten stimmten auch darin überein, dass sie an der von der UNO initiierten Isolation Iraks festhalten wollen. ‚Nur die vollständige Verwirklichung der Resolution des UN-Sicherheitsrates ist akzeptabel.’…Die USA und die UdSSR seien bereit, ‚im Rahmen der Vereinten Nationen zusätzliche Maßnahmen zu erwägen’, falls sich die bisher schon getroffenen Festlegungen für die Beendigung des Konflikts als unzureichend erweisen sollten.” Bush und Gorbatschow … kamen zu der übereinstimmenden Auffassung, dass die irakische Aggression nicht toleriert werden dürfe…. Bush würdigte die gute Kooperation mit der Sowjetunion innerhalb der UNO und kündigte an, er werde dem amerikanischen Kongress die ökonomische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion empfehlen. ‚Wir wollen den Erfolg der Perestroika’, sagte er.”
Die USA konnten also ihren ersten Krieg gegen den Irak mit der Billigung des Sicherheitsrates beginnen, weil die Sowjetunion von vornherein deutlich gemacht hatte, dass von ihrer Seite kein Widerstand im Sicherheitsrat zu erwarten sein würde.
Leider hat damals auch die Volksrepublik China – wenngleich aus anderen Motiven – im Sicherheitsrat von ihrem Veto-Recht keinen Gebrauch gemacht.
Schon damals konnte man erkennen, dass dieser Krieg ein neues Kapitel in der Geschichte der Kriege des USA-Imperialismus einleitete. Jetzt, nachdem der “Kalte Krieg” gegen die Hauptmacht des Sozialismus gewonnen und damit das Haupthindernis zur Errichtung der Weltdomination der USA aus dem Wege geräumt war, setzten die USA eine neue Runde des Kampfes um die Neuverteilung der Erde unter die imperialistischen Mächte auf der Tages-ordnung.
Seine erste Etappe hat zum Hauptinhalt die direkte oder indirekte Inbesitznahme der für die Erlangung der Weltdomination ökonomisch und strategisch entscheidenden Regionen der Erde durch die USA. Dazu muss der Kampf in zwei Richtungen geführt werden: Erstens zur Un-terwerfung aller Kräfte und Mächte in diesen Regionen, die ihre Unabhängigkeit verteidigen und nicht bereit sind, sich den USA zu unterwerfen. Deshalb nehmen die Kriege, welche die USA für dieses Ziel führen, unvermeidlich den Charakter von Kriegen zur Rekolonialisierung der Länder der betreffenden Regionen an. Mit dem ersten Irak-Krieg von 1990/91 wurde fak-tisch die Serie solcher Rekolonialisierungskriege eröffnet. Dass auf der Liste der Länder, die folgen sollen, das sozialistische Kuba einen vorderen Platz einnimmt, steht außer Zweifel.
Die zweite Richtung, in der dieser Kampf geführt wird, ist die Verdrängung aller imperialis-tischen Konkurrenten aus diesen Regionen durch die USA. Das muss unvermeidlich zur Ver-schärfung der Gegensätze zwischen den USA einerseits, den von ihrer Verdrängung bedrohten Mächten auf der anderen Seite führen. Genau das erlebten wir in diesen Tagen bei den ver-geblichen Versuchen der USA, im Sicherheitsrat eine Mehrheit für ihre Kriegsresolution zu-sammen zu bekommen.
Die Reaktion der Bush-Regierung auf das Scheitern dieser Bemühungen war die Erklärung Bushs: Weil die UNO unserer Kriegslösung nicht zustimmt, hat sie versagt und ist überflüssig. Wir werden den Krieg gegen Saddam also ohne UNO-Zustimmung führen.
George Bush stellt damit klar, dass sein Vorbild im Verhältnis zum Völkerrecht kein anderer als Hitler ist: Nichtig ist alles bisherige Völkerrecht, wenn es dem eigenen Expansionsdrang im Wege steht. Gültig ist nur, was die USA als Recht setzen!
Noch deutlicher wird das an Bush’s Ultimatum an Saddam: Wenn er nicht binnen 48 Stunden zurücktritt und das Land verlässt, werden die USA ihren Krieg gegen den Irak beginnen. Nimmt er aber das Ultimatum an und verlässt das Land, dann werden die USA den Irak den-noch besetzen!
Bush bestätigt damit, was längst alle Spatzen von den Dächern pfeifen: Der Krieg, den er um jeden Preis haben will, geht weder um den Sturz des “Verbrechers Saddam”, noch um einen “Regimewechsel zur Demokratisierung” des Irak, es geht um dessen Öl, es geht darum, selbst die Hand auf dieses Öl zu legen und nicht zuzulassen, dass es in die Hände etwa französischer oder deutscher oder anderer fremder Öl-Multis fällt. Die Bush-Doktrin lautet: “Rechtmäßig ist nur eine Regierung, die den USA zu willen ist. Jede andere werden wir, wenn sie nicht freiwillig den Platz räumt, wegbomben!” Natürlich im Namen der Verteidigung der Menschenrechte und des Krieges gegen den Terrorismus!
Mit einem Wort: Bush ist dabei, die Außenpolitik der USA zur faschistischen Kriegspolitik zu machen!
Faschistische Kriegspolitik verlangt aber über kurz oder lang nach faschistischer Innenpolitik. Die entsprechenden Gesetzesvorlagen zur Außerkraftsetzung der in der Verfassung verankerten demokratischen Freiheitsrechte sind in den USA bereits fertiggestellt; einiges davon wurde schon am 18. März dieses Jahres im ZDF-Magazin “Frontal 21” vorgestellt.
Das Amerika des Franklin Roosevelt war ein Amerika, das an der Seite der Sowjetunion mithalf, dem Hitlerfaschismus den Garaus zu machen. Der jetzige unrühmliche Nachfolger Roosevelts ist dabei, die USA in ein Land zu verwandeln, das auf Hitlers Spuren wandelt.
Das beweist erneut: der Mutterboden des Faschismus ist nicht der Nationalcharakter dieses oder jenes Volkes, nein, das war, ist und bleibt der Imperialismus. Der Faschismus ist die Herrschaftsform eines Imperialismus, der sich von der proletarischen Revolution bedroht sieht und/oder der sich anschickt, einen Krieg um die Weltherrschaft zu führen.
Und deshalb steht im Kriegsprogramm des US-Imperialismus als Kapitel II – falls es ihm gelingen sollte, das Kapitel I erfolgreich abzuschließen -, die Vollendung der Herstellung der Weltherrschaft durch die Niederwerfung des bedrohlichsten und gefährlichsten Gegners, der potentiellen Supermacht China. Solange es noch ein unabhängiges oder gar sozialistisches China gibt, ist die Weltdomination des USA-Imperialismus noch keineswegs gesichert, auf lange Sicht sogar seine Herrschaft in Frage gestellt.
Deshalb ist der Krieg gegen China längst ein fester, wenn auch erst in weiterer Zukunft, im zweiten Kapitel, in Angriff zu nehmender Programmpunkt.
Deshalb kann man die Kriege des Kapitels I durchaus zu recht auch als Vorbereitungskriege für den Hauptkrieg, den Krieg gegen das Chinesische Riesenreich, ansehen. Auch in dieser Hinsicht liegt die Analogie zum Vorgehen Hitlers nahe. Auch für Hitler dienten die Kriege von 1939 bis Juni 1941 der Vorbereitung des Hauptkrieges, des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion.
In den letzten Wochen nährten angesichts der weltweiten Isolierung der USA und der Verur-teilung ihres Kriegskurses durch eine breite Mehrheit der UNO-Mitglieder, mit Frankreich, Deutschland, Russland und China an der Spitze, viele Menschen die Hoffnung, dadurch könnten die Bush-Kriege doch noch verhindert werden.
Diese Hoffnungen wurden durch den mörderischen Überfall der USA und Englands auf den Irak brutal niedergemacht.
Es erwies sich erneut, dass die Hoffnung, der Frieden könnte dadurch erhalten werden, dass sich die konkurrierenden imperialistischen Mächte gegenseitig blockieren, auf Sand gebaut ist. Diese Gegensätze können nur dann für die Erringung des Friedens ausgenützt werden, wenn die Hauptkraft des Friedenskampfes die Völker sind.
Auch in dieser Frage gilt nach wie vor Stalins Wort:
“Der Krieg kann unvermeidlich werden, wenn es den Kriegsbrandstiftern gelingt, die Volks-massen durch Lügen zu umgarnen, sie zu betrügen und sie in einen neuen Weltkrieg hineinzu-ziehen.
Der Frieden wird erhalten und gefestigt werden, wenn die Völker die Erhaltung des Friedens in ihre Hände nehmen und ihn bis zum äußersten verteidigen” (15)
Der Text entstand im Februar 2003 als Beitrag zur Veranstaltung
“A 50 ANNI DALLA MORTE DI STALIN”
des “Comitato in Difesa del Socialismo” am 23. März 2003 in Rom
Gekürzt veröffentlicht in “Offensiv” Heft 5/03, S. 4 – 14; vollständig mit anschließender Stel-lungnahme veröffentlicht in KAZ Nr. 306 v. Dezember 2003, S. 52 – 58
Anmerkungen:
(1) Neues Deutschland (ND) v. 11. März 1953, S. 3.
(2) Ebenda, S. 4.
(3) Zitiert von Nina Andrejewa in ihrem Artikel “Ich kann meine Prinzipien nicht preisgeben”. ND v. 2./3. 4. 1988
(4) F.Tschujew, 140 Gespräche mit Molotow, Moskau 1991, (russisch), S.228.
(5) J. Stalin Werke, Bd. 9, S.24.
(6) Die Presse der Sowjetunion, Nr.13, 30.1.1959, S.283.
(7) Kurt Gossweiler, Die Entfaltung des Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung und in der DDR, Teil 1, in: Auferstanden aus Ruinen. Über das revolutionäre Erbe der DDR, Hannover 2000, S.177 f.
(8) Kurt Gossweiler, Die antisozialistische Doppelstrategie des Imperialismus, in: Offensiv 6/1999, S.48
(9) Tägliche Rundschau, Berlin, Nr. 70 v. 24. März 1946
(10) Die folgenden Angaben zum Korea-Krieg folgen der Arbeit von Olaf Groehler: Der Ko-reakrieg 1950 bis 1953, Berlin 1980, S. 11 ff.
(11) Groehler, S. 55 f.
(12) Ebenda, S.113.
(13) “Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie”, Nr.8, v. 23.Februar bis 1. März 1951
(14) In: Kurt Gossweiler, “Die vielen Schalen der Zwiebel Gorbatschow” in Wider den Revi-sionismus, München 1997, S. 270 f.
(15) Stalin-Interview vom 17. Februar 1951.