Der deutsche Imperialismus und der Platz des Faschismus in seinem Herrschaftssystem heute

Kurt Gossweiler

DER DEUTSCHE IMPERIALISMUS UND DER PLATZ DES FASCHISMUS IN SEINEM HERRSCHAFTSSYSTEM HEUTE

In Deutschland sind die “Braunen” wieder im Vormarsch. NDP und DVU haben wieder Ab-geordnete in einigen Länderparlamenten. Droht ein neuer Faschismus, fragen sich viele voller Besorgnis. Man erinnert sich an Parallelen aus den Jahren der Weltwirtschaftskrise. Da schnellten im Jahr 1930 die Zahl der Naziwähler, die 1928 noch unter einer Million lag, auf 6,4 Millionen hoch, und die NSDAP wurde aus einer kleinen Splitterpartei mit einem Schlage zur zweitstärksten Partei nach der SPD, die 8,5 Millionen Stimmen erhalten hatte.

Wo es den braunen Demagogen gelingt, wieder Masseneinfluß zu erlangen, und das gar noch besonders unter Jugendlichen, da ist in der Tat Grund genug, Alarm zu schlagen; denn der Faschismus ist keine politische Strömung, sondern ein Verbrechen – in welcher Gestalt er auch immer auftritt, nicht nur als Faschismus an der Macht, sondern auch als “Bewegung”, Partei, “Kameradschaften” oder “rechts-rock-bands”; zu ihrer Alltagspraxis gehört die Propagierung von und die Aufstachelung zu Verfolgung, Drangsalierung und Totschlag von “Zecken” und die Umsetzung all dessen durch Überfälle bis zum brutalen Mord an Antifaschisten, Auslän-dern, Behinderten, Obdachlosen, also an den auch vom Staat Diskriminierten, Verfolgten, an den Schwächsten und Hilflosesten der Gesellschaft.

Wahr ist aber auch, dass die wenigsten Jugendlichen, die sich von der Nazidemagogie einfangen lassen, den verbrecherischen Charakter der faschistischen Ideologie und Praxis erkennen. Aber sie laufen Gefahr, je länger sie der faschistischen Ideologie ausgesetzt sind und je tiefer sie in die faschistische Praxis hineingezogen werden, desto mehr brutalisiert und entmenschlicht zu werden, und somit eben zu echten Nazis.

Daraus ergibt sich aber für uns, die Antifaschisten, dass wir den Kampf gegen den Faschismus nicht nur als Abwehrkampf gegen den faschistischen Terror führen müssen – das natürlich auch!, – sondern auch – und das mit großer Kraft – als Kampf um die Verführten, durch Auf-klärung über das wirkliche Wesen des Faschismus und darüber, welcher Weg tatsächlich ein-zuschlagen ist, um das deutsche Volk in eine bessere Zukunft zu führen.

Ich wünschte mir, es könnte gelingen, in den Geschichtsunterricht an allen Schulen die Be-handlung des sogenannten “Nero-Befehls” Hitlers obligatorisch einzuführen – zeigt der doch deutlicher als alle unsere Beschreibungen, was die Jugendlichen von einer Wiederkehr des “Dritten Reiches” zu erwarten hätten. Als die von Hitler verkündeten Wunder, die den angeb-lich “sicheren Endsieg” bringen würden, ausblieben und die Niederlage – für alle sichtbar – unausweichlich war, gab Hitler den Befehl zur völligen Zerstörung Deutschlands und be-gründete dieses Todesurteil für das deutsche Volk mit den Worten:
“Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen. Was nach dem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen.”

I. Zum Verhältnis der herrschenden Klasse der Bundesrepublik Deutschland zu den NSDAP-Nachfolgeparteien und – organisationen.

Für viele, vielleicht sogar für die meisten Menschen ist der Maßstab für die Größe der Gefahr eines neuen Faschismus das Anwachsen der faschistischen Organisationen und ihrer Vertre-tungen in den Parlamenten. Sie meinen, die Hauptgefahr gehe von diesen Organisationen aus. Sie sind noch nicht dahinter gekommen, dass diese Organisationen genau wie die großen Par-teien, von der SPD bis zur CSU, nur Filialen der einen großen Partei der herrschenden Klasse, der imperialistischen deutschen Monopolbourgeoisie, darstellen, deren wirkliche, den Kurs bestimmende Leitungen im BdB (Bundesverband deutscher Banken), im BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), im BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) und im DIHT (Deutscher Industrie- und Handelstag) sitzen.

Die hierzulande wohlberechnet nicht mit dem ihnen zustehenden Namen, nämlich “faschis-tisch”, sondern als “rechtsextremistisch” benannten Parteien sind seit dem Ende des ersten Weltkrieges ein unverzichtbarer Bestandteil des imperialistischen Herrschaftssystems. Durch nichts wird das deutlicher als daran, dass ihre Existenz von Beginn der Bundesrepublik an völkerrechtswidrig und sogar grundgesetzwidrig vom Staat ermöglicht und geschützt wurde und wird.

Im Potsdamer Abkommen hatten die USA, die Sowjetunion und Großbritannien festgelegt:
“Die Nationalsozialistische Partei, ihre Zweigeinrichtungen und die von ihr kontrollierten Organisationen sind zu vernichten; alle nazistischen Einrichtungen sind aufzulösen; es sind Sicherheiten zu schaffen, dass sie in keiner Form wiedererstehen können; jeder nazistischen und militaristischen Betätigung ist vorzubeugen.”

Und im Artikel 139 des Grundgesetzes der BRD ist festgelegt: “Die zur ‚Befreiung des deut-schen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt”, bleiben also in Kraft, was die Bundesregierung 1973 in ihrem Antrag zur Aufnahme in die UNO ausdrücklich noch einmal bekräftigte: “Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber nazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten und deutschen Stellen erlassenen Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist.”

Das waren leere Worte, an die sich keine einzige Bundesregierung gebunden fühlte. Ganz im Gegenteil: Der Aufbau der BRD war in entscheidenden Teilen das Werk der Hit-ler-Wehrwirtschaftsführer, der Hitler-Beamten wie Globke und Oberländer, der Hit-ler-Generäle, und der Hitler-Juristen. Die BRD war von Beginn an ein Schutzgebiet für Hitlers Helfer, in das die in der SBZ und der DDR von Bestrafung für Kriegsverbrechen bedrohten Nazis flüchteten. Nur die am schwersten belasteten und international gesuchten Kriegsver-brecher verließen – mit Hilfe von staatlichen und kirchlichen Einrichtungen mit einer neuen Identität ausgestattet – auch die BRD über die “Rattenlinie” in Richtung Südamerika.

Und selbstverständlich dachte keine Länderregierung vor 1949 und keine Bundesregierung nach Gründung der BRD daran, die Gründung von Parteien zu verhindern, die bei Einhaltung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens und des Artikels 39 des Grundgesetzes nie hätten zugelassen werden dürfen:

1946 schon trat die “Deutsche Konservative Partei- Deutsche Rechtspartei” (DKP-DRP) ins Leben, aus der 1950 die offen neofaschistische “Sozialistische Reichspartei (SRP) hervorging.

Die “Deutsche Partei” wurde 1945 als “Niedersächsische Landespartei” gegründet, nannte sich ab 1947 “Deutsche Partei”, trat mit revanchistischen Forderungen auf und war ein Sammel-becken ehemals aktiver Nazis, was für CDU und CSU überhaupt kein Hindernis war, mit ihr zusammenzuarbeiten und sie sogar 1949 bis 1960 als Koalitionspartner in die Bundesregierung aufzunehmen. 1961 schloß sie sich mit dem “Gesamtdeutschen Block/ Block der Heimatver-triebenen und Entrechteten” (GB/BHE) zur “Gesamtdeutschen Partei” zusammen, ihre Minister Seebohm und Merkatz traten 1960 zur CDU über.

Die “Deutsche Reichspartei” entstand im Januar 1950 aus dem Zusammenschluß von Teilen der DKP-DRP und einer damals schon bestehenden Nationaldemokratischen Partei (NPD). Im November 1964 ging sie aber ihrerseits in der nun wieder neu gegründeten NPD auf.

Inzwischen hat sich von den drei bekanntesten Parteien des Neonazismus – “Nationaldemo-kraten”, “Deutsche Volksunion” (DVU) und “Republikaner” die NPD zu deren Hauptpartei entwickelt, nicht zuletzt dank der staatlichen Förderung, als die sich der von vornherein nicht ernst zu nehmende Verbotsantrag des gleichen Innenministers Schily erwies, der dem Bun-desgericht die Handhabe zur Abweisung des Antrages gab wegen der vielen V-Leute, die der Verfassungsschutzes in dieser Partei unterhielt und sie auf diese Weise – aber mit Sicherheit nicht als einzige Neonazi-Organisation – sogar staatlich subventionierte.

Der ganze Rummel um die Verbotsklage war eine einzige Augenauswischerei und eine Schmierenkomödie, wie auch der Aufruf des Kanzlers zum “Aufstand der Anständigen”, denn es bedurfte keines neuen Verbotes – man brauchte nur das Völkerrecht und die eigene Ver-fassung ernst zu nehmen und ihre Bestimmungen durchzusetzen.

Aber wir sagten es schon: der Faschismus, faschistische Organisationen, sind seit dem Ersten Weltkrieg unverzichtbarer Bestandteil des imperialistischen Herrschaftsinstrumentariums geworden, und sie bleiben es, weil wir uns trotz der Niederlage des Sozialismus in Europa noch in der “Epoche der imperialistischen Kriege und der proletarischen Revolutionen” befinden, und die allgemeine Krise des Kapitalismus keineswegs beendet ist, sondern sich in einer Phase deutlicher Zuspitzung befindet.

Genau deshalb haben auch die westlichen Sieger diese offene Mißachtung des Völkerrechtes hingenommen, brauchten sie doch für ihren Kalten Krieg und erst recht für den geplanten heißen Krieg zur Liquidierung der Sowjetunion und ihrer sozialistischen Verbündeten eine wiederaufgerüstete Bundesrepublik, die “Osterfahrungen” der Hitler-Militärs und den brutalen nazistischen Antikommunismus.

Ihre Völker aber vergaßen nicht, was sie unter der deutschen Besatzung erlitten hatten und welche Opfer es gekostet hatte, sich von ihr wieder zu befreien. Sie blickten deshalb sehr aufmerksam und mißtrauisch auf den Bonner Staat, dessen Lenker sich durch eben dieses Mißtrauen gezwungen sahen, sich einen antifaschistischen Anstrich zu geben. Dazu mußte die Berufung auf die Männer des 20. Juli 1944 herhalten. Welche Tradition in der Bundeswehr wirklich wachgehalten und gepflegt wurde und noch immer wird – das ist jedoch an den Namen ihrer Kasernen abzulesen.

Seit dem Verschwinden der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Europas haben sich jedoch die Verhältnisse auch für das Wirken des deutschen Imperialismus gravierend verändert, und es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auch auf den Faschismus und seine Organisationen in Deutschland haben wird.

II. Zu den Auswirkungen der neuen internationalen Rahmenbedingungen auf die Politik des deutschen Imperialismus und auf die faschistischen Organisationen.

Das 20. Jahrhundert war ausgefüllt mit dem Kampf “Wer-Wen?” zwischen dem niederge-henden Imperialismus und dem bis 1975 unaufhaltsam aufsteigenden Sozialismus. Seine für den Kampf gegen die Sowjetunion unentbehrliche Rolle gab dem deutschen Imperialismus die Möglichkeit, nach seiner totalen Niederlage am Ende seines ersten bewaffneten Griffs nach der Weltmacht mit Hilfe der Sieger in kürzester Zeit wieder so weit erstarkt und gerüstet zu sein, dass er sich in sein zweites Weltherrschafts-Eroberungs-Abenteuer stürzen konnte. Und auch nach seiner noch totaleren Niederlage 1945 halfen ihm die Sieger – und hier vor allem die zur Supermacht aufgestiegenen USA – wieder dazu, in Kurzem erneut zur stärksten imperialisti-schen Macht des kapitalistischen Europa aufzusteigen als Hauptkraft im Kampf gegen die Sowjetunion und deren Verbündete, an erster Stelle gegen deren westlichsten, die Deutsche Demokratische Republik.

Als dann gegen Ende des Jahrhunderts dank der dreißigjährigen Unterminierungsarbeit der revisionistischen 5. Kolonne des Imperialismus im Machtzentrum der Sowjetunion diese zu-sammenbrach und mit ihr ihre europäischen Partner von der politischen Landkarte Europas verschwanden, war dies für alle imperialistischen Länder, und ganz besonders für die Bun-desrepublik Deutschland wegen der Annexion der DDR, ein großer Sieg. Aber dieser Sieg bedeutete für den deutschen Imperialismus zugleich einen folgenreichen Verlust: verloren gegangen war der gemeinsame Feind des Weltimperialismus, dessen Existenz es der deutsche Imperialismus verdankt hatte, dass seine Rivalen ihn nach seinen beiden Niederlagen nicht liquidierten, sondern – immer wieder um sein rasches Erstarken besorgt – hochpäppelten.

Nun befindet er sich in einer völlig anderen Situation: Zwar ist er noch immer “verbündeter NATO-Partner” der USA, aber der beiden gemeinsame Feind ist entschwunden, geblieben aber ist ihre Rivalität, und die ist aufgrund der neuen Weltsituation um ein Vielfaches verschärft.

Denn das Ende des “Sowjetblocks” war zugleich der Startschuss für den Beginn einer neuen Runde im Kampf der imperialistischen Staaten um die Neuaufteilung der Welt. Dabei geht es jetzt erstens um die Erlangung des größten Stückes der Beute aus dem Zerfall der “Zweiten Welt”, der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Europas; dabei geht es zweitens um die Rekolonialisierung bzw. durchgängige Neo-Kolonialisierung der Länder der “Dritten Welt”, denen mit der Sowjetunion und deren europäischen Verbündeten ein wichtiger Rückhalt in ihrem Widerstand gegen die imperialistischen Aggressionen verloren gegangen ist. Verflochten damit geht es drittens um den Kampf um die immer knapper werdenden Rohstoffressourcen, vor allem um jene nur noch für Jahrzehnte ausreichenden des Erdöls. Aber es zeichnet sich ab, dass auch schon jetzt und erst recht in der Zukunft das Trinkwasser zu den umkämpften Naturressourcen gehört. In diesem Kampf um die Neuaufteilung der Welt gibt es nur eine Supermacht – die USA, die als ihr unantastbares Recht ansehen, die “neue Weltordnung” allein nach ihren Interessen und Vorstellungen der übrigen Welt aufzuzwingen.

Gewöhnlich spricht man davon, dass es für die USA nur noch zwei ernst zu nehmende impe-rialistische Rivalen gibt – Deutschland und Japan. Aber von den beiden kann gegenwärtig wohl nur von Deutschland als von einem wirklich ernsthaften Rivalen gesprochen werden; denn Japan steht noch immer unter einer starken USA-Kontrolle und hat keineswegs die Bewe-gungsfreiheit wie die BRD. Und zum anderen hat Japan im Unterschied zu seiner Position vor dem zweiten Weltkrieg seine Vorherrschaft über den ostasiatischen Kontinent verloren, sieht sich vielmehr der in atemberaubendem Tempo zur stärksten ökonomischen Macht Asiens heranwachsenden Volksrepublik China gegenüber.

Ganz anders die Position der BRD. Der deutsche Imperialismus hat aus den zwei Niederlagen, die er erlitt, als er im Alleingang bzw. mit nur so schwachen Bundesgenossen, wie Österreich und Türkei im ersten, Italien und den Satellitenstaaten der “Achse” Berlin-Rom in Europa im zweiten Weltkrieg glaubte, die ganze übrige Welt niederringen zu können, gelernt und daraus die Schlußfolgerung gezogen: er kann den dritten Anlauf zum Griff nach der Weltherrschaft nicht mehr mit einem durch Waffengewalt unterworfenen Europa als Hinterland unternehmen, sondern nur mit einem Europa, das Deutschland als die stärkste ökonomische und politische Macht des Kontinents als Führungskraft einer Europäischen Union anzuerkennen bereit ist.

In der Tat hat die BRD als stärkste ökonomische Macht in Europa und dritt- oder gar zweit-stärkste ökonomische Macht in der Welt die Vorherrschaft in der Europäischen Union erlangt und strebt danach, die Europäische Union unter deutscher Führung zur ökonomisch, politisch und militärisch den USA zunächst ebenbürtigen, dann aber sie überholenden Macht auszu-bauen.

Noch aber ist diese EU ein sehr lose vereintes und wegen der zahlreichen Interessendivergenzen ihrer nun schon 25 Mitglieder ein noch recht labiles Gebilde, das aus der Zone der Ein-sturzgefahr noch nicht herausgekommen ist und noch vor schweren Belastungsproben, z.B. in der Frage der Aufnahme der Türkei als Vollmitglied, steht. Wenn der deutsche Imperialismus diese Europäische Union zu der Basis gestalten will, von der aus er den Kampf mit dem USA-Imperialismus als Kampf aller Mitglieder der EU und des ganzen Kontinents Europa um die Nummer Eins im Weltmaßstabe mit Erfolg führen kann, dann muß er die Empfindlichkeit der europäischen Völker, die er im zweiten Weltkrieg unter seine Stiefel getreten hat, berück-sichtigen, dann gefährden schrille revanchistische und nationalistische “Deutschland über alles!”- Töne noch mehr als die Duldung von Antisemitismus das Vorhaben. An ihre Stelle muß die Propagierung eines “Europa-Patriotismus” treten, zu dem jedoch gehören darf und soll, dass die “deutschen Tugenden” tragende Elemente eines Europa auf dem Wege “zur modernsten, sich am raschesten entwickelnden und wissenschaftlich führenden Region” sind.

Dieser Interessenlage des deutschen Imperialismus müssen alle seine Parteien vom rechten bis zum linken Rand Rechnung tragen, was allerdings vor allem für die Parteien im rechten Spektrum – angefangen bei der CDU bis zu den die deutschnationalistische und antisemitische Nazitradition pflegenden neofaschistischen Parteien und Organisationen – nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten vor sich geht.

Aber gerade im Bereich der äußersten Rechten kann man da an Traditionen aus dem Nazireich anknüpfen, hat doch schon die SS den “Europa-Gedanken” gepflegt und den Begriff “SS-Europa” geprägt. Über den “ ‚Europanationalismus‘ der SS” schrieb schon 1993 Jürgen Lloyd in einer Veröffentlichung der VVN-BdA Bielefeld mit dem Titel: “Die ‚Neue Rechte”:

Der Europanationalismus “versucht, die ideologische Begründung für die geänderte Aufga-benstellung an den Neofaschismus zu liefern. Die Interessengegensätze zwischen den west-europäischen Staaten hatten an Bedeutung verloren. Verursacht auf der einen Seite durch die gewachsene innereuropäische Kapitalverflechtung, zum anderen durch die mehr in den Vor-dergrund gerückten Konflikte Europa/USA; … Dieser geänderten Situation passte der Neofa-schismus nun seine Strategie an. Vorbild war ihm dabei keineswegs etwas Neues, sondern ein Kernstück des historischen Faschismus: die SS.

Schon mit der Gründung ihrer Nachfolgeorganisation, der HIAG, im Jahre 1951 wurde der “europäische Geist” der Waffen-SS beschworen. Das HIAG-Organ ‚Der Wiking-Ruf‘ erläu-terte, die Kämpfer der Waffen-SS sahen in der Niederwerfung des Bolschewismus eine ge-meinsame europäische Aufgabe. So vollzog sich in der Waffen-SS eine Wandlung vom Glauben an Deutschland zum Glauben an Europa. Die HIAG nannte ihr Organ später in “Der Freiwillige” und 1955 schließlich in “Freiwillige für Europa” um. …

Zeitgleich mit der HIAG-Gründung erschien 1951 erstmals die Zeitschrift “Nation Europa”… Herausgegeben wurde sie von Arthur Erhardt, SS-Hauptsturmführer und einst Chef der ‚Ban-denbekämpfung‘ im Führerhauptquartier”. ( Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass ein Stück von diesem “SS-Europa” sogar von der Bundesregierung gepflegt wird, belohnt sie doch die lettischen “SS-Freiwilligen” für deren Dienst in der SS, also für ihre Teilnahme an den SS-Mordfeldzügen, mit einer Rente ! )

Trotz dieser Vorarbeit für die “Europäisierung” der neofaschistischen Szene in Deutschland ist von einer Umstellung der Hauptparteien in dieser Richtung noch kaum etwas zu spüren. Der Grund dafür liegt in der inneren Situation des deutschen Imperialismus.

III. Die Situation des deutschen Imperialismus nach Innen und deren Auswirkung auf die faschistischen Parteien.

Das Verschwinden der sozialistischen Staaten aus Europa, vor allem die Liquidierung der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik, veränderte das Klassenkräfteverhältnis in der alten BRD und in “Neufünfland” von Grund auf.

Die deutsche Arbeiterklasse – nicht nur die der DDR, sondern auch die der Bundesrepublik -, hatte die schwerste, verheerendste Niederlage ihrer bisherigen Geschichte hinnehmen müssen. Das für mich Bedrückendste dabei war, dass die meisten – nicht nur im Westen, sondern auch im Osten -, das Ende der DDR gar nicht als ihre Niederlage erkannten. Zu dieser Erkenntnis wurden sie erst durch den Sieger – das deutsche Monopolkapital – gebracht, – ziemlich rasch im Osten, später und erst nach und nach auch im Westen.

Den Arbeitern und Angestellten im Osten wurde dies vor allem durch die Brutalität und Rücksichtslosigkeit beigebracht, mit der ihre Betriebe massenweise als unliebsame Konkurrenz für die westdeutschen Konzerne geschlossen und sie selbst mit einer Erscheinung konfrontiert wurden, die sie bisher nur aus den Medienberichten über Westdeutschland kannten – mit der Massenarbeitslosigkeit.

Die Arbeiter und Angestellten im Westen bekamen es zuerst bei den Tarifverhandlungen zu spüren, dass nun der unsichtbare dritte Verhandlungspartner, der auf die Unternehmerseite immer den stärksten Druck ausgeübt hatte – die DDR -, nicht mehr mit am Verhandlungstisch saß. Das nutzten die Unternehmer sofort dazu aus, zur Offensive gegen die führungs- und orientierunsglose Arbeiterklasse überzugehen, zu Massenentlassungen auch in den Betrieben in Westdeutschland und dazu, die Arbeiter mit der Drohung der Verlagerung der Betriebe ins billigere Ausland zur Hinnahme des Abbaus all der Verbesserungen zu erpressen, die sie sich in der Zeit der “Systemkonkurrenz” dank der Existenz der DDR hatten erkämpfen können. Deutschland wurde so zu einem Land, in dem der schärfste Klassenkampf geführt wurde – aber einseitig, von oben nach unten, mit bisher nur äußerst schwacher Gegenwehr von unten. So war die imperialistische Bourgeoisie Deutschlands durch das Verschwinden der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten in Europa – für immer, wie sie hofft und glaubt; nur zeit-weilig, wie wir wissen, – zu einem Doppelsieg gekommen: sie hat noch nachträglich den zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion gewonnen, und sie hat der deutschen Arbeiterklasse und allen fortschrittlichen Kräften in Deutschland eine Niederlage beigebracht, die noch schwerer wiegt, als die von 1933.

Die Umorientierung der herrschenden Klasse von der Schaufensterpolitik der “sozialen Marktwirtschaft” auf den irreführend “neoliberal” genannten Kurs des rigorosen Sozial- und Demokratieabbaus hatte auf das Parteiensystem die Wirkung, dass alle “staatstragenden” Par-teien – SPD, Grüne, FDP,CDU und CSU – auf diesen Kurs verpflichtet wurden, was dazu führte, dass SPD und Grüne nach rechts rückten und in ihrer Politik von den Rechtsparteien FDP,CDU/CSU kaum noch zu unterscheiden sind.

Die sozialdemokratisierte PDS, durch ihren Eintritt in Landesregierungen inzwischen selbst auch zu einer staatstragenden Partei geworden, hat folgerichtig inzwischen den von der SPD geräumten Platz auf dem linken Flügel der “staatstragenden” Parteien eingenommen.

Es war ein strategisches Meisterstück der herrschenden Klasse, nach dem Mehrheitsverlust der CDU/CSU/FDP Regierung in den Wahlen von 1998 die Weichen nicht auf “Große Koalition”, sondern auf eine Regierung “Rot-Grün” zu stellen. Die SPD als regierende Hauptpartei beim Sozialabbau ist die beste Gewähr dafür, dass die Gewerkschaftsführungen in den Arbeits-kämpfen gegen den Sozialabbau die Rolle von Bremsern des Widerstandes von unten statt von Führern bei dessen kraftvoller Entfaltung spielen.

Wie wirkt sich diese Situation auf die Rolle der faschistischen Organisationen im imperialis-tischen Herrschaftssystem aus?

Sie werden gegenwärtig nach innen wie nach außen nur als Reserve für besondere Situationen und für den Notfall gebraucht. Symptomatisch dafür ist der Vorgang, dass, nachdem sich gegen Hartz IV eine überraschend starke Widerstandsbewegung in landesweiten Massendemonstra-tionen bemerkbar machte, zu den Europawahlen und zu den kommenden Landtagswahlen die bisher in Konkurrenz auftretenden Neonazi-Parteien NPD und DVU vereinbarten, ein solches konkurrierendes Auftreten zu vermeiden, um die Neonazi-Stimmen zu bündeln. Es wäre sehr naiv, zu glauben, dass dieser Beschluß alleine der Initiative der beiden Parteiführungen ent-sprungen ist. Die bisherige Zersplitterung der Neonazistimmen war von ihren Freunden und Förderern in den Konzernleitungen gewollt, weil starke braune Vertretungen im Bundestag und den Länderparlamenten das Image Deutschlands im Ausland und damit auch das Auslands-geschäft beeinträchtigten.

Nachdem aber die BRD nicht mehr einem ausländischen Vergleich mit der antifaschistischen DDR ausgesetzt ist, kann sich das deutsche Monopolkapital leisten und ist sehr daran interes-siert, bei auch nur den geringsten Anzeichen eines wachsenden Widerstandes von links, die äußerste Rechte zu stärken als Gegengewicht gegen den angeblichen “Linksextremismus”. Wenn schon wachsender Protest gegen die Politik des Sozialabbaus unvermeidlich ist, dann soll er von links weg nach ganz rechts kanalisiert werden, wo Angriffe gegen das Kapital nur als demagogische Rhetorik geduldet werden, um die Herrschaft des Kapitals umso wirkungsvoller zu festigen, so, wie schon in der großen Krise von 1929 –33.

Jedoch dafür, den Faschismus in irgendeiner Form wieder an die Macht zu bringen, besteht für den deutschen Imperialismus – gegenwärtig jedenfalls – kein Grund. Wie die geschichtliche Erfahrung zeigt, hat das Monopolkapital den Faschismus an die Macht gebracht entweder – wie 1919 in Ungarn und 1922 in Italien -, um mit einer revolutionären Situation im Lande fertig zu werden, oder – wie 1933 in Deutschland, – um jeden Widerstand gegen den Kurs auf einen neuen Weltkrieg und jede Gefahr einer revolutionären Entwicklung während des Krieges von vornherein gewaltsam unmöglich zu machen. Bei der jetzigen Lähmung und Zersplitterung der revolutionären Linken im Inneren und beim internationalen Kräfteverhältnis und dem gegen-wärtigen Entwicklungsgrad der innerimperialistischen Gegensätze ist in Deutschland in ab-sehbarer Zeit weder der eine noch der andere Fall in Sicht.

Die Herrschenden sind sich aber durchaus darüber im Klaren, dass diese Situation keineswegs von ewiger Dauer ist, wissen sie doch, dass sie ihrem großen “Reformwerk” nicht ohne Grund die Bezeichnung “2010”gaben, sondern deshalb, weil bis 2010 auf “Hartz I-IV noch Hartz V, VI und VII … bis “nach oben offen” folgen sollen. Und sie wissen auch, dass die Folge mit Sicherheit eine Steigerung des Widerstandes zu nicht berechenbarer Stärke sein wird.

Und was die Frage künftiger Kriege angeht: sie wissen besser als viele Kommunisten, die einst im Parteilehrjahr Stalins “Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR” studiert haben, wie recht Stalin hatte, als er die Möglichkeit eines neuen Krieges des besiegten Deutschland gegen die Sieger voraussagte, – wissen sie doch, dass Stalin damit ihre Fernziele richtig einschätzte.

“Manche Genossen” führte Stalin 1952 aus, “behaupten, dass infolge der Entwicklung der neuen internationalen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg Kriege zwischen den kapita-listischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. … Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche schimmernden äußeren Erscheinungen, aber sie sehen nicht die in der Tiefe wirkenden Kräfte, die, obwohl sie vorläufig unmerkbar wirken, dennoch den Lauf der Ereig-nisse bestimmen werden. …

Nach dem ersten Weltkrieg hat man ebenfalls angenommen, Deutschland sei endgültig erledigt, … Doch hat sich Deutschland nach seiner Niederlage trotzdem in etwa 15-20 Jahren wieder aufgerichtet und ist als Großmacht wieder auf die Beine gekommen … Es fragt sich, welche Garantien gibt es, dass Deutschland und Japan nicht erneut auf die Beine kommen, dass sie nicht versuchen werden, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und ein selb-ständiges Leben zu führen? Ich denke, solche Garantien gibt es nicht.

Daraus folgt aber, dass die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt.”

Kurzum: In der Rüstkammer des Imperialismus ist der Faschismus – in welcher Gestalt auch immer – unverzichtbar.

Allerdings sollten wir uns nicht vorstellen, dass er – falls es noch einmal zu einem Versuch kommen sollte, ein faschistisches Regime in Deutschland zu errichten -, eine einfache Wie-derholung des Nazifaschismus sein würde.

Erstens, weil der “Faschismus an der Macht” schon zwischen den beiden Weltkriegen in zweierlei Gestalt auftrat, wie Georgi Dimitroff schon 1928 feststellte, als er schrieb: “Die be-sonderen Bedingungen in den Ländern Südosteuropas verleihen dem Faschismus einen ei-gentümlichen Charakter. Die Eigentümlichkeit besteht vor allem darin, dass sich der Faschismus in diesen Ländern, zum Unterschied vom Faschismus in Italien zum Beispiel, vorwiegend nicht von unten, durch eine Massenbewegung, als staatliche Regierungsform durchsetzt, sondern im Gegenteil von oben. Sich auf die usurpierte Staatsmacht, die militärischen Kräfte der Bourgeoisie und die Finanzmacht des Bankkapitals stützend, versucht der Faschismus in die Massen einzudringen und sich unter ihnen eine ideologische, politische und organisatorische Stütze zu schaffen.”

Zweitens aber, weil die Imperialisten aller Länder heute einen ganz neuen Weg zur Außer-kraftsetzung der bürgerlich-demokratischen Grundrechte, zur Errichtung einer uneinge-schränkten Präsidial – oder Regierungsdiktatur erfunden haben – einen neuen Feind als Ersatz für den verloren gegangenen, für die Sowjetunion. Ein solcher Ersatz ist unverzichtbar. Denn für den Imperialismus trifft das wirklich zu, was die Antikommunisten der Sowjetunion an-dichteten. Als bald nach dem Kriegsende die Westmächte den Kalten Krieg gegen die Sow-jetunion eröffneten, sprangen ihnen Sozialdemokraten vom Schlage Kurt Schumachers eilfertig zur Seite. Einer von ihnen, Paul Sering, veröffentlichte 1946 ein Buch mit dem Titel “Jenseits des Kapitalismus. Ein Beitrag zur sozialistischen Neuorientierung”, in dem auf S. 155 zu lesen ist: “Eine solche Machtfülle (wie in der Sowjetunion, K.G.) läßt sich im Bewußtsein der Massen nur auf eine Art rechtfertigen: durch die Drohung übermächtiger Feinde. Die Diktatur bedarf der Feinde, sowohl der äußeren wie der inneren.”

So bösartig hetzerisch-verlogen dieser Satz, gemünzt auf die Sowjetunion, ist, so richtig und treffend ist er, bezogen auf den Imperialismus, insbesondere auf die imperialistischen Groß-mächte. Kaum war der Gegner Sowjetunion liquidiert – schon präsentierte der durch Wahl-schwindel mit Gerichtshilfe ins Amt gehievte neue USA-Präsident Bush den neuen Feind, von dem die USA und die ganze “freie Welt” tödlich bedroht seien und gegen den nun ein erbar-mungsloser Krieg zu führen sei: den “Terrorismus”.

Zunächst und für längere Zeit fand er beim Volk der USA und in der ganzen westlichen Welt Glauben, hatten doch Terroristen am 11. September 2001 durch den unglaublichen Angriff mit zwei Flugzeugen die beiden Türme des World Trade Center zum Einsturz gebracht. Nur stellte sich mehr und mehr heraus, dass dieser Hauptbeweis für die Existenz und Gefährlichkeit des neuen Feindes “Terrorismus” niemandem so nützlich war, wie Bush und seinen Nächsten selbst.

Aber noch viel verdächtiger: Es wurde bekannt, dass zuständige Stellen über den bevorste-henden Angriff längere Zeit vorher informiert waren, aber nichts unternahmen, um ihn zu verhindern. Und erwiesen ist auch, dass der Krieg gegen den Irak mit lauter bewussten Lügen begründet wurde. “11/9”, der elfte September, musste als Beweis dafür herhalten, dass der Krieg gegen den Irak notwendig sei, weil Hussein die Sicherheit der USA mit Massenver-nichtungswaffen bedrohe. Aber der Krieg gegen den Irak war erwiesenermaßen von Bush und Cheney schon lange vorher eine beschlossene Sache gewesen, denn es ging um die Ölquellen und um den Aufbau von neuen Stützpunkte zur weiteren Einkreisung Rußlands und Volks-chinas. Deshalb durfte die UNO-Kontrollkommission ihre Arbeit nicht zu Ende bringen; denn Bush und die Seinen wussten, deren Ergebnis würde ihnen die Begründung für einen Krieg gegen den Irak aus der Hand schlagen, da es genau so lauten würde wie die Aussage, die Bush heute, im Januar 2005, kaltschnäuzig und fast nebenbei verlauten lässt: Keine Massenver-nichtungswaffen im Irak!

Dieser neue Feind “Terrorismus” ist eine fast geniale Erfindung, weil sie als Allzweckwaffe eingesetzt werden kann und auch wird: nach außen zur Begründung von Kriegen und sogar von “Präventivschlägen”, um einer “tödlichen Bedrohung der freien Welt zuvorzukommen”; und nach innen zur Begründung der Einschränkung bis zum völligen Abbau der verfassungsmäßigen Grundrechte und der Errichtung eines totalen Überwachungs- und Polizeistaates “weil der Terrorismus keine Grenzen kennt und überall zuschlagen kann.” Ein künftiger, neuer Faschismus könnte also auch daherkommen als “Schutz der Staatsbürger vor dem Terrorismus”.

Der wirkliche Terrorismus ist indessen der Staatsterrorismus der imperialistischen Mächte zur Neokolonialisierung, Unterwerfung und Ausbeutung der kleinen und schwachen Länder und Völker. Es ist dieser imperialistische Staatsterrorismus, der den verzweifelten, einer waffen-starrenden Übermacht hoffnungslos unterlegenen Völkern keine andere Möglichkeit zum Widerstand lässt, als den Guerillakrieg oder den individuellen Gegenterror.

In der Bibel haben wir in der Geschichte von David und Goliath ein treffendes Bild für einen Zweikampf dieser Art. Allerdings müssen wir zu einer radikal anderen Einschätzung des David kommen, wenn wir an diese Geschichte die Terrorismus-Definition der Bush und Scharon anlegen: David kann dann nicht länger als der schwache, aber listige und sympathische Sieger über die Überlegenheit roher Kraft gesehen werden, nein: er ist ein Terrorist, der- wie die Pa-lästinenser! – mit List und Tücke das Naturrecht des Stärkeren auf Herrschaft über die Schwächeren nicht gelten lassen will!

Da die Ursache des Terrors von unten der imperialistische Staatsterror ist, wird der “Krieg gegen den Terrorismus”, diese Steigerung des Staatsterrors, nur zur Steigerung und weltweiten Ausbreitung der Unsicherheit vor der terroristischen Gegenwehr von unten führen. Frieden und Sicherheit für alle wird es erst geben, wenn es keinen Imperialismus mehr gibt.

IV. Einige Schlußfolgerungen

Hier soll nicht wiederholt werden, was an vielen Stellen schon über die Notwendigkeit und das “Wie” des Kampfes gegen den Faschismus und Neonazismus gesagt und geschrieben wurde. Ich erinnere nur daran, dass der massenhafte Zustrom zu faschistischen Organisationen nicht zufällig in die Zeiten des wirtschaftlichen Niederganges, der Wirtschafts- und politischen Krisen fällt, in die Zeiten also, in denen Hunderttausende und Millionen Arbeiter und Ange-stellte in die Arbeitslosigkeit, Selbständige in den Bankrott gestürzt werden und Jugendliche aus der Schule in ein Leben ohne jede Zukunftsperspektive entlassen werden, in Zeiten also, in denen Millionen zu dem Ergebnis kommen: So kann, so darf es nicht weitergehen! und nach einem Ausweg suchen. Wenn sie auf der Linken keine Kraft finden, der sie zutrauen können, sie auf den Weg aus dem Elend in eine bessere Zukunft zu führen, sondern dort nur Zersplitterung und gegenseitigen Kampf, dann blüht der Weizen der rechten Demagogen, der Neonazis, der Faschisten.

Es kommt also vor allem darauf an, dass die Linke ihre Uneinigkeit überwindet und sich zu einer einheitlichen, glaubwürdigen Kämpferin für die Abwehr der Kapitalsoffensive und für eine offensive Vertretung der Interessen der Arbeitenden zusammenschließt. Dabei käme der PDS eine bedeutsame Rolle zu. Aber wie kann eine Partei Glaubwürdigkeit bei den Massen erwerben, die in ihren Wahlparolen Hartz IV attackiert, in Landesregierungen aber Hartz IV durchführt und eine Einheitsfront mit anderen linken Kräften, wie der DKP und der KPD, ablehnt? Die PDS-Führung verteidigt ihre Regierungsbeteiligung mit dem Argument, damit Schlimmeres zu verhüten. Das ist klassische “Kleinere-Übel-Politik”. 1932/33 ist die Ein-heitsfront gegen Kapitalsoffensive und Faschismus an der Politik des “Kleineren Übels” der SPD gescheitert, die gegen die prophetische Aussage Thälmanns: “Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, und wer Hitler wählt, wählt den Krieg!” die Wahlaufforderung setzte: “Wer Hindenburg wählt, schlägt Hitler!”

Wer nicht erneut geschlagen werden will, muß aus der Geschichte lernen!

Geschrieben im Januar 2005, veröffentlicht in Roland Bach u. a. (Hrsg.), “Anti-faschistisches Erbe in Europa – Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Rolf Richter”, Eigenverlag, Berlin, 2005, S. 121 – 133.